Software und Strategien für den erfolgreichen Mittelstand

Diskussionsrunde Zusammenspiel E‑Commerce mit ERP-Systemen

Entkoppeln und trotzdem schnell kommunizieren

Dr. Christoph Kurpinski
Dr. Christoph Kurpinski, Vorstandsvorsitzender der Comarch Software und Beratung AG

Über 300 Neuerungen sind in die aktuelle Version der Abas-Business-Suite eingeflossen. Dabei finanziert ABAS seine Expansion und die Weiterentwicklung der ERP-Lösung aus eigener Kraft. Das Management des Software-Herstellers wurde erweitert. Ab dem kommenden Jahr wechselt Peter Walser vom Vorstand in das technische Produktmanagement. Sein Nachfolger als Chief Technology Officer ist Jürgen Nöding, der neben dem Vorstandsvorsitzenden Werner Strub den Vorstand der Abas Software AG bildet. Peter Forscht als Chief Operating Officer, Mario Raatz als Chief Sales Officer und Produktmanager Daniel Rau vervollständigen das Management der ABAS Software AG. Auf der Konferenz „abas 360 Grad“ verdeutlichte die Management-Riege die künftige Ausrichtung.

ERP-Integration

Peter Forscht, COO, International Partnerships bei der Abas Software AG
Henrik Hausen, Vorstand der Alpha Business Solutions AG

Die Frage der Integration von E‑Commerce-Funktionalität in ein ERP-System steht auf einem ganz anderen Papier als etwa das Zusammenspiel von ERP und Rechnungswesen-Software. Hier sind aufgrund der Spezialisierung im Shop-Bereich andere Faktoren von ausschlaggebender Bedeutung. „Ich kenne kein ERP-System, das es ernsthaft versucht, E‑Commerce ähnlich als Modul zu betrachten wie das Rechnungswesen“, führt Egon Steinkasserer aus. Der CTO des Microsoft Dynamics AX Anbieters Würth Phoenix ist überzeugt, „dass nicht alles in Echtzeit erfolgen muss – vieles kann man asynchron erledigen“.

Bei der GUS Group sieh man darin aber weniger ein Skalierungsszenario, eher ein Anwendungsszenario, so der Sprecher der Geschäftsleitung, Dirk Bingler: „Ein Shop hat völlig andere Anforderungen als ein ERP-System. Er ist sehr stark auf Design und Verkaufsführung ausgerichtet, Daher stellt sich eher die Frage: Soll der Shop ein Bestandteil eines ERP-Systems sein, oder soll man einen externen Shop anbinden. Das ist die Grundsatzdiskussion – unabhängig vom Szenario Business to Consumer – B2C – oder Business to Business – B2B.

Doppelte Funktionalität als Problem

Beim Einsatz von Web Shop und ERP-System gibt es in vielen Bereichen das Problem der doppelten Funktionalität. „Viele Prozesse, die in einem Web-Shop-System implementiert und fest verdrahtet sind, finden sich auch im ERP-System“, gibt Dr. Christoph Kurpinski zu bedenken. Für den Vorstandsvorsitzenden der Comarch Software und Beratung AG stellt sich dann immer die Frage, welches System das führende ist: „Ein Beispiel dafür ist die Bestandsführung. Hier ist zu entscheiden, ob es reicht, wenn man einmal am Tag den Web Shop mit Infos über den Bestand versorgt. Danach können die Leute einkaufen. Oder aber diese Information muss möglichst zeitnah nachgeführt werden. Ein weiterer Punkt sind die Bezahlfunktionen, denn sie haben eine weitere Problematik im Schlepptau. Ansonsten wäre es wie bei einem normalen System für das B2B. Denn im Shop habe ich Bestandsware und Bestellware, die unterschiedlich gehandhabt werden müssen. Denn man kann eine Kreditkarte zur Bezahlung nur dann belasten, wenn man eine Ware zeitnah – etwa morgen – ausliefern kann.“

Er plädiert daher für ein ERP-System mit einer passenden Darstellung des Angebots und einer entsprechende Anpassung der Prozesse – je nachdem für was sich der Kunden als Bezahlmethode entschieden hat. Dazu muss man noch das Retouren-Management mit einbeziehen – auch das kann zeitkritisch werden. Für Bingler kommt es vor diesem Hintergrund aber auch zu einer Frage der Kanäle, die man bedienen möchte: „Wenn ich zusätzlich zum Shop noch klassisches Geschäft habe, etwa wenn ich Direktbestellungen via Telefon bearbeiten muss, dann kann ich es mir nicht leisten, einen separaten Prozess im Shop und im Warenwirtschaftssystem vorzuhalten.“ Diesem Argument schließt sich auch Steinkasserer an: „Ja, aber es gibt eine Besonderheit zu beachten: die Aktionen im Produktinformations- Umfeld. Es gibt kein ERP-System, das diesen Aspekt auch vollständig mit abdeckt. Die gesamten multimedialen Informationen zum Produkt werden benötigt und das leistet das ERP-System typischerweise nicht.“ B2B oder B2C – das ist die entscheidende Frage.

Unterscheidung zwischen B2B und B2C

Anders sieht es aus, wenn man den kleineren Fall, das B2B-Geschäft abbilden muss, wie das bei Plex Systems der Fall ist. „Wir haben nur Nachfrage in B2B und keine B2C-Kunden. Daher gibt es so gut wie nie die Forderung, einen Web Shop anzubinden“, erklärt Thomas Rosenstiel, Director Europe bei Plex Systems. „Dafür sehen wir häufig die Anforderung, über diese Anbindung die Zusammenarbeit mit Kunden und Lieferanten aufzubauen. Und das geht über die Grundtechnologie – unser Produkt basiert komplett auf der Cloud.“

Als zweiter Lösungsstrang bietet sich noch EDI an: „Das ist bei uns komplett im ERP-System integriert. Das gehört zum E‑Commerce – und diese Einbindung macht Sinn.“ Speziell wenn es um Konfiguratoren und Katalogthemen geht, erweise sich das mitunter als recht komplex: „Da verfolgen wir zum einen eigene, zum anderen auch externe Lösungen. Wir kooperieren mit Partnern, die wir nach dem Komplexitätsgrad auswählen. Bei Caterpillar, einem Kunden von uns, geht es um die Variantenfertigung: Bei einem Motor mit 10.000 Varianten sieht bei jedem Exemplar die Stückliste ganz unterschiedlich aus.“

Rosenstiel sieht als Grundproblem das Entstehen von Daten, nicht nur im eigenen Unternehmen, sondern auch bei Lieferanten und Kunden, die möglichst schnell in das System des Unternehmens kommen müssen. „Diese Infos wurden oftmals über selbstgestrickte Datenanbindungen eingespeist – wie etwa per Import aus Excel-Listen. Das erscheint auf den ersten Blick als günstig, doch das ergibt in vielen Fällen keinen Sinn. Die externen Daten müssen in das System möglichst nahtlos einfließen können.“

Auswahloptionen

Dirk Bingler, Sprecher der Geschäftsführung bei der GUS Deutschland GmbH
Herbert Feuchtinger, Vice President Consulting & Support bei IFS Deutschland GmbH & Co. KG

„Bei uns sind alle Varianten gegeben“, erklärt Matthias Sartor, Regional Vice President Business Consulting DACH bei Infor. „Es gibt eigene Systeme, die wir eng integriert haben. Da ist bei uns auch eine eigene Mannschaft von E-Business-Spezialisten im Entwicklungsbereich aktiv. Aber wir haben auch Systeme, die von externen Partnern stammen, die in die ERP-Systeme anzudocken sind. Das ist einerseits der Historie geschuldet – bietet anderseits aber auch Flexibilität bei den Auswahloptionen für die Kunden.“ Generell komme es immer darauf an, was man in seiner E‑Commerce-Umgebung verkaufen möchte.

Als Beispiel nennt der Infor-Manager den Maschinenbau: „Hier ist des Öfteren gefragt, dass der Verkauf von Ersatzteilen an einen definierten Kundenkreis und dabei noch in Verbindung mit Service ermöglicht wird. Dabei stellt sich gar kein so hoher Aufwand im Shop-Bereich – speziell beim CMS und dem schönen Präsentieren der Informationen. Man verkauft ja an Experten. Dagegen ist diese Architektur sehr ERP-und Prozessnah ausgebildet.“ In einem Consumer-Käuferumfeld sieht das ganz anders, etwa bei einem Markenartikler: „Die haben Stammdaten ohne Ende, die alle gepflegt und ergänzt werden müssen. Da wird auch nach einer separaten, konsequent auf diese Bedürfnislage ausgelegten Shop-Lösung gefragt.“ Ansonsten gibt es nach seiner Erfahrung auch die Fälle, bei denen die Entscheidung über das Shop-System an einer ganz anderen Stelle erfolgt als in der IT-Abteilung, die für das ERP-System zuständig ist. „Da wird erst ganz zum Schluss die IT eingebunden und dann wird argumentiert: Wir haben da einen Super- Shop und wir sind auch schon fertig mit dem Projekt, der muss nun mit dem ERP-System zusammenspielen – und das kann doch wohl kein großes Problem sein, ihn mit dem ERP-System zusammenzubinden.“ Daher müsse man als IT-Verantwortlicher und dessen ERP-Anbieter sehr flexibel sein. Im Bereich B2C setzt man bei IFS ganz klar auf ein Fremdprodukt, die Shop-Lösung eines Partners.

Shop-Lösungen stehen im Vordergrund

„Wir integrieren das in unser ERP-System“, führt Herbert Feuchtinger aus. Damit skizziert der Vice President Consulting & Support bei der IFS Deutschland die anvisierte Zielgruppe: fertigende Unternehmen, die ihre Produkte über das Web in einen zweiten Vertriebskanal verkaufen wollen. „Dabei sind Shop-Lösungen nötig, die Designanforderungen und Spezial-Skills benötigen. Die Implementierung des Systems ist dort auch bei einem anderen Team aufgehängt.“ Von der Integrationstiefe her sei es in der Regel so, dass als Basis die Preis- und Verfügbarkeitsinfo online geholt wird. „Dann aber wird die Auftragsabwicklung selbst über das ERP-System gesteuert. Der Web Shop liefert den EDI-Auftrag, der dann an das ERP-System geht“, so Feuchtinger. „Die gesamte Logistik – Auftragsbestätigung, Lieferung und Fakturierung, die ist aufgrund der Zahlungsmethoden ein Spezialfall – wird dann im ERP-System abgehandelt.“

Im B2B-Bereich sieht die Sache anders aus, so Feuchtinger weiter: „Dort ist die Kompetenz stark im ERP-System und die EDI-Anbindung von Lieferanten und Kunden ist von EDI geprägt – vor allem bei unseren vielen Kunden aus dem Automotive-Bereich.“ Für Dirk Bingler ist ein Shop ist in Darstellung und Wahrnehmung ganz was anderes als ein ERP-System. Dabei dürfe man aber einen Aspekt nicht außer Acht lassen: die Sicherheit: „Ein Web Shop im B2C-Umfeld muss vom ungesicherten Internet her zugreifbar sein. Das ERP-System dagegen – egal oder Cloud oder On Premise – sollte dagegen bestmöglich geschützt werden. Wenn ein extern zugängiger Shop Teil eines ERP-Systems ist, muss er immer in einer DMZ liegen und direkt mit dem ERP-System kommunizieren. Ich kann mir keine Konstellation vorstellen, in der ich mein ERP-System in eine DMZ stelle und dann von außen Zugriffe über http oder https erlaube.“

Die Frage nach den Schnittstellen

Aus technischer Sicht sieht Bingler die ERP-Hersteller in der Pflicht: „Wir müssen die Schnittstellen für die Shop-Systeme bedienen können – etwa für XT oder Magento. Doch unsere Kernkompetenz ist nicht der Rollout dieser Shop-Systeme. Das Durchrouten der Bestellungen – etwa über EDI – das machen wir schon wieder im ERP-System.“ „Bei Zalando standen wir vor einer großen Aufgabe“, erklärt Dr. Christoph Kurpinski, „denn das Unternehmen wollte sehr schnell starten und benötigte daher eine Prozess-Engine und eine Verwaltungsinstanz für die Ware. Zalando selbst kam von der Web-Shop- Seite. Sie hatten ein eigenes Shop-System und wussten ganz genau, wie man die Waren am besten präsentiert.“ Daher räumte man Zalando die Möglichkeit ein, auf dem Software-Framework von Comarch aufzusetzen und eigene Schnittstellen zum ERP-System zu bauen. „Das ist mit einigen Seiteneffekten sehr gut angelaufen“, erklärt Dr. Kurpinski. „Der Shop läuft 24/7, man ist jedoch vom Erfolg überrannt worden und es stand keine ausreichende Infrastruktur zur Verfügung, auf der man die ERP-Updates einspielen konnte. Den Shop einfach abzuschalten, war hier keine Option. Das ist aber häufig das Problem: Viele Startups unterschätzen den Erfolg, der eintreten kann und müssen dann erkennen, dass es besser gewesen wäre, zuerst eine passende Hardware- und ERP-Software einzusetzen.

Daraus hat Comarch Schlüsse gezogen und entwickelt gegenwärtig einen „Business Master“. Er wird eine prozessuale Entkopplung zwischen Shop- und ERP-System ermöglichen. Mittlerweile arbeiten bei Zalando über 150 Entwickler und sie wollen selbst in Konkurrenz zu Amazon treten. Daher schreibt Zalando auch viele Module selbst“, so Dr. Kurpinski „und wird wohl Schritt für Schritt auch unser ERP-System ablösen“.

Doch dieses Projekt hat Comarch viele Interessenten gebracht. „Diese verfügen meist über wenig Know-how aus dem Web-Shop-Bereich. Das notwendige Wissen holen sie sich über Web-Experten“, skizziert Dr. Kurpinski die Situation. „Dann ist der Shop-Anbieter gesetzt, denn er wurde von der Marketing-Abteilung ausgewählt. Dann geht es nur noch um die Frage der Integration und hier um die üblichen Dinge wie: Welches System ist das führende? Wie findet die Integration statt?“ Aus Sicht des Vorstandsvorsitzenden bei Comarch verdient die Payment- Frage eine besondere Aufmerksamkeit: „Ich muss die verschiedenen Bezahlmethoden so im ERP-System integriert haben, dass ich alle Anforderungen bedienen kann. Möglichst sogar die, die man heute noch gar nicht kennt. Je nach Land gibt es verschiedene Anforderungen.“

Provider-Schnittstellen erleichtern den Durchgriff

Daher hat Comarch seine Software umgebaut und die sogenannten Provider-Schnittstellen eingefügt: „An einigen relevanten Stellen sind diese angelegt. Sie sind in der Lage, einen Standardprozess im ERP zu verzögern, zu triggern, etc. Im Grunde geht es um folgende Herausforderung: Wenn sich jemand für Paypal als Bezahlmethode entschließt, muss man bestimmte Abläufe einhalten und im Falle einer Reklamation auch das Geld wieder auf das Paypal-Konto zurückführen können. Das wird oftmals gerne vergessen.“ Hingegen muss man bei der Bezahlung mit Lastschrift erst prüfen, ob das Geld auch auf dem Konto eingegangen ist. „Unsere Devise lautet: Das ERP-System in den Vordergrund schieben und damit Abläufe und Funktionen aus dem Shop-System ablösen. Dabei gilt der Datenaustausch über EDI ebenfalls als ein Muss.

Bei Alpha Business Solutions fühlt man sich besser im B2B-Markt aufgehoben. „Unsere Zielmärkte sind Elektrotechnik, Anlagen- und Maschinenbau“, erklärt Henrik Hausen. Der Vorstand von Alpha Business Solutions stellt den eigenen B2B-Baukasten in den Vordergrund, um auf die Anforderung der Kunden sehr flexibel eingehen zu können. „Da sprechen wir nicht nur von EDI, was heutzutage nicht nur im Handel, sondern auch im Maschinenbau erforderlich ist. Zum Beispiel dann wenn Daten international herauszugeben sind, also eher im End-to-End-Bereich.“ Zudem geht Alpha Business Solutions Kooperation mit den gängigen Shop-Anbietern ein, so Hausen: „Unser ERP-System bietet dabei sowohl den Lieferstatus als auch eine Preisfindung.“ Dabei liege das Augenmerk auf der sicheren Abbildung von durchgängigen Geschäftsmodellen.

E-Business

Matthias Sartor, Regional Vice President Business Consulting DACH bei Infor

„Wir haben eine eigene Truppe, die sich nur mit E‑Business beschäftigt“, führt Peter Forscht aus. Der Chief Operating Officer der Abas Software AG sieht hier fast eine 50-zu-50-Aufteilung: „49 Prozent unserer Aktivitäten sind Shop-Anwendungen, der Rest Anbindung von Lieferanten, das ‚Vendor managed Inventory‘ oder das Reklamationsmanagement.“ Dabei laute die Devise: Möglichst viel im ERP-System abbilden. „Es hindert uns dabei nichts daran, Bildchen oder Produktbeschreibungen dort abzulegen und sie dann nach außen zum Shop zu transportieren. Das machen wir quasi online über eine Online-Replikation der Datenbank in der DMZ. Das kann man auch öfters machen – etwa auf fünf Server mit fünf Replikaten.“

Das decke auch gleich noch die Skalierungsfrage ab. „Dabei wird ein direktes Schreiben in die Datenbank aus dem Web Shop nicht erlaubt. Der Weg führt über ein Polling-System. Das legt die Daten in einem eigenen Bereich ab und von dort verteilt das ERP-System dann die Daten auf die Datenbank(en)“, erklärt Forscht. „Damit stellen wir sicher, dass falls jemand das Shop-System hackt, er nicht auch das ERP-System unter seine Kontrolle bekommt.“
Ein großer Vorteil sei zudem die Daten Konsistenz. Man muss zum Beispiel die Daten, die im ERP-System für die Preisfindung gepflegt werden, nicht noch woanders mitführen oder anfassen. Damit deckt man bei Abas auch das Problem der Internationalisierung ab. Denn die Informationen kommen aus dem ERP-System und sind dort in allen notwendigen Sprachversionen hinterlegt. Damit kann man die auch wieder ins Web transportieren, doch man muss sie nur an einer einzogen Stelle pflegen. Vor allem im Bereich B2C kann es dazu kommen, dass sich binnen kürzester Zeit ein massiver Andrang im Shop ergibt.

Skalierungsfrage für Web Shop und ERP-System

Hier ist die Frage der Skalierung zu stellen – zum einen für den Web Shop und zum anderen für das dahinter liegende ERP-System. Bei Abas zieht Forscht einen klaren Schluss: „Hier kommt erneut der Vorteil unserer Architektur zum Tragen. Es gibt eine interne Datenbank, die als Master fungiert und von der über die Replikation beliebig viele Kopien auf den ‚Online- Systemen‘ erstellen lassen. Änderungen an den Daten werden zuerst am Master ausgeführt, der dann diese Änderungen auch an die Replikate weiter gibt. Damit lässt sich die Last auf nahezu beliebig viele Systeme verteilen.“

Dagegen lässt sich für Egon Steinkasserer die Skalierbarkeit nicht nur auf die Anzahl der Server reduzieren. „Es gibt auch Latenzprobleme und die lassen sich nicht nur über den Bereich der Server regeln. Es geht auch um den Anschluss der Endsysteme – der Clients. Denn die Daten müssen auch auf die unter Umständen Tausende Endgeräte kommen. Dazu sind dann auch entsprechende Bandbreiten in der Netzwerkanbindung nötig – und die kosten viel Geld, wenn sie vom Unternehmen vorgehalten werden müssen.“

Die gegensätzlichen Eigenschaften von ERP- und Shop-System benennt Kurpinski: „Bei einem üblichen B2C-Szenario mit einem Web-Shop und einer extrem hohen Anzahl von Transaktionen steht man vor einer großen Herausforderung, denn diese Systeme müssen rund um die Uhr verfügbar sein. Das passt leider nicht zu einem ERP-System, denn das muss gepflegt werden. Es sind Patches oder Updates einzuspielen und auch Release-Wechsel durchzuführen. Und in dieser Zeit kann man den Shop nicht ‚abschalten‘. Also bleibt nur der Weg, ein Vorsystem dazwischenzuschalten.“ Es behält die Datenbestände, besitzt allerdings nicht viel Prozesslogik. „Damit sind wir in der Lage, das ERP-System runterzufahren und es offline zu pflegen. Das Vorsystem übernimmt dann die Aufgabe, die Daten an den Shop zu liefern und die Informationen aus dem Shop entgegenzunehmen. Ist das ERP-System dann wieder aktiv, werden die Informationen mit dem Vorsystem wieder abgeglichen. Mit Hilfe dieser Architektur lassen sich auch verschiedene Shop-Systeme, die ebenfalls unterschiedliche Workflows unterstützen, gemeinsam anbinden. Es müssen nur passende Shop-Connectoren eingesetzt werden. Dann ist der Anschluss von Magento, Oxid oder xt:Commerce einfach zu realisieren.“ Damit sei auch die Skalierungsfrage gelöst.

Das Thema Skalierbarkeit normiert Matthias Sartor auf die Prozesse: „Die Skalierbarkeit muss immer zu dem Geschäftsprozess passen, den man abbilden möchte. Bei einem schwedischen Möbelhersteller mit einem Shop-System mit vier Millionen Artikeln und 40 Millionen potenziellen Endkunden sieht die Aufgabenstellung anders aus als bei einem Maschinenbauer, der maximal die Informationen inklusive Serviceakte für 400 Benutzer vorrätig halten muss.“ Daher verfolgt Infor mehrere Ansätze: „Für die großen Anforderungen setzen wir auch auf ein neutrales Replikationssystem, das über den Oagis-Standard mit dem ERP-System zusammenspielt. Es übernimmt die nötigen Entkopplungsaufgaben und eröffnet so die notwendige Funktionalität in Bezug auf die Skalierungsherausforderungen“, erklärt Sartor.

In Bezug auf die Skalierung stellt Dirk Bingler klar: „Das Puffern der Anfragen über Warteschlangen bereitet meistens keine Probleme. Es kommt aber immer zu einer kritischen Situation, wenn es um das Thema ‚Bestände‘ geht.“ Irgendwann trete der Punkt auf, dass ein bestimmtes Produkt in einer Filiale nicht mehr vorrätig ist und dann muss diese Information auch an das ERP-System durchgesteuert werden. Und dann könne es schon zu einer Vielzahl von Transaktionen für das ERP-System kommen, das damit dann umgehen können müsse.

Shop-Systeme

Thomas Rosenstiel, Director Europe bei Plex Systems
Egon Steinkasserer, CTO bei Würth Phoenix

„Das lässt sich aber auch beherrschen“, gibt sich Dr. Kurpinski überzeugt. „Es stehen dazu verschiedene Ansätze zur Verfügung. Falls zum Beispiel drei Shop-Systeme zusammenarbeiten, kann man bestimmte Kontingente bzw. Reservierungen vergeben. Dann dürfen die Shops ihre zugesicherten Kontingente verkaufen, auch wenn das ERP-System in der Zwischenzeit nicht zur Verfügung steht. Dann hat man unter Umständen Pech, wenn auf einem Shop nicht alles verkauft wurde und auf einem anderen Shop eine zu große Nachfrage vorliegt. Das wird von den meisten Shop-Betreibern aber akzeptiert. Wichtiger ist da schon die Info, wer was kaufen wollte. Denn dann kann man mit der Person wieder in Kontakt treten, sobald die Ware vorliegt. Doch das ist eine ganz andere Welt als die, die man in einem B2C-Umfeld kennt.“

Trennung garantiert Sicherheit

 

Das Thema Sicherheit spielt in einer Konstellation Web-Shop und ERP-System eine gravierende Rolle. Für Matthias Sartor ist eine klare Trennung nötig: „Es gilt den Zugriff von Webservices aus dem Shop auf das ERP-System zu unterbinden.“ Dagegen will Dr. Kurpinski den Betreiber des Web-Shops miteinbeziehen: „Unser Kunde entscheidet, wie sicher die Lösung sein soll. Eine Verbindung über dediziertes VPN zwischen Shops und ERP-System ist die erste Wahl. Denn sollte ein Web-Shop geknackt werden, wäre das ein enormer Imageverlust für den Betreiber. Zum Teil wird daher ein sehr hoher Aufwand betrieben, um die Sicherheit zu gewährleisten. Das geht bis zu externen Penetration-Tests. Dazu gibt es Tools und Aktualisierungsmechanismen, um die Shops schnell wieder abzusichern.“

Die Alpha Business Solutions ist nicht nur mit dem ERP-System proALPHA am Markt präsent. Das Unternehmen agiert auch als Implementierungspartner für SAP Business By Design. „Bei SAP kommen die Funktionen komplett aus der Cloud“, gibt Hausen zu bedenken. „Dabei wird noch auf eine Zertifikatlösung gesetzt – das macht die Sache dann sehr sicher.“ Ein voll ausgebauter Web Shop und ein ERP-System verfügen über viele gleiche – oder ähnliche – Funktionen. Deshalb stehen die Anwender vor der Wahl, bestimmte Funktionen in dem einen oder dem anderen System zu implementieren.

Wie sich die Aufteilung am sinnvollsten ergibt, ist für Dr. Kurpinski immer abhängig vom Einzelfall. „Wer viel B2C und nur etwas B2B nebenher bedienen muss, der nutzt bis zu 80 Prozent der Funktionalität des Shops. Typische Dinge, wie beispielsweise Bestätigungs- E-Mails, haben mit dem ERP-System nichts zu tun. Bei der Konstellation, die wir bei Zalando antreffen, werden z. B. viele Dinge vom ERP-System angestoßen, die dann über dezidierte, meist vom Kunden selbst geschriebene Software ausgeführt werden.“

Das Beispiel Zalando

Denn bei Zalando sei, laut Dr. Kurpinski, die Variantenverwaltung in Verbindung mit der extrem hohen Anzahl von Produkten im Shop das Komplizierteste. „Die Verwaltung von immer neuen Artikeln ist das Problem“, konstatiert Dr. Kurpinski. „Wenn nun eine Produktgattung im Shop dazu kommt, müssen die üblichen Funktionalitäten, wie die bereits erwähnten Bestätigungs-E-Mails, zu den neuen Produkten passen. Das bedeutet, dass man den zugehörigen Text modifizieren muss – Größe, Farbe, Bezeichnung für die Produkte, alles muss stimmen. Im ERP-System werden zwar die Stammdaten dazu vorgehalten, aber alle weiteren Infos für die Kommunikation, etwa für die Benachrichtigung, Retouren, etc. werden in anderen Systemen gehandhabt.“

Eine Gegenposition nimmt IFS ein, wie Feuchtinger erklärt: „Unsere Zielgruppe ist die klassische Fertigung mit Servicegeschäft: Da liegt Auftragsabwicklung im Wesentlichen im ERP. Im Shop wird zum Beispiel Preis und Verfügbarkeit angefragt, der routet die Anfrage dann an das ERP-System durch.“ Für Sartor spielt die Richtung des Informationsflusses die bestimmende Rolle: „Läuft die Interaktion Richtung Kunde dann ist der Shop zuständig. Wenn es zum Auftrag kommt gehört die Abwicklung und zugehörige Logistik ins ERP-System. Zusätzlich kommen Aspekte ins Spiel, etwa wenn sich der Endkunde Dokumente zu den bisherigen Käufen anzeigen lassen möchte. Das muss man im Shop auch wieder sehen können. Somit ist der Informationsfluss auch in die andere Richtung nötig.“

Eine Besonderheit bei Abas stellt Forscht heraus: „Wir machen viele Aufgaben im ERP-System, gehen dann aber bei speziellen Funktionen auch über externe Webservices wie etwa die Verfolgung der Lieferung. Das sieht für den Anwender zwar aus, als würde es aus dem ERP kommen, wird aber extern abgewickelt.“

Rainer Huttenloher