Software und Strategien für den erfolgreichen Mittelstand

Rechnungswesen im Handel

Selbstmarketing bringt Imageverbesserung

Holger Behrens, Vorstand der cormeta ag. Quelle: cormeta

Was haben Haie und die Buchhaltung gemeinsam? Beide besitzen ein schlechtes Image. Ironischerweise wissen Mitarbeiter in Unternehmen oftmals mehr über Haie als über ihre Kollegen aus dem Rechnungswesen. Es ist für sie also ein recht unbekanntes Wesen. Unbekannt auch deshalb, weil es – so meist die Meinung – irgendwo versteckt irgendetwas oder, je nach herrschendem Vorurteil, auch nichts macht.

Gleichzeitig ist es gefürchtet und als ungeheuer verstaubt und langweilig verschrien. Wahlweise als bürokratisch, humorlos und pedantisch. Seine Mitarbeiter sind an Kälte nicht zu überbieten, und wenn es um Mittel für Anschaffungen geht, heißt es dort: Veto. Kommt ein Anruf aus der Buchhaltung, will man schon gar nicht abnehmen, denn es sind eh wieder nur schlechte Nachrichten. Daher ist Imageverbesserung angesagt. Doch das gelingt nicht von selbst.

Transparenz

Aussagekräftige Reports bringen Transparenz. Quelle: cormeta

Joachim Wolbersen ist seit über 15 Jahren als Berater tätig, aktuell bei der Five Elements Consulting GmbH. Eines seiner letzten Projekte war die Imageverbesserung der Rechnungswesenabteilung bei einem großen Handelsunternehmen. Für ihn steht zweifelsfrei fest, dass Finanzbuchhaltung und Rechnungswesen generell mehr tun könnten, um ihr Ansehen zu verbessern. Dabei sei es nicht so sehr die Aufgabe, herauszukehren, wie wichtig die Arbeit ist. Das wüssten die Mitarbeiter anderer Abteilungen durchaus. Vielmehr gehe es darum, die Arbeit transparenter werden zu lassen.

Der Kontakt zu anderen Abteilungen geschehe automatisch, etwa bei Rückfragen zu Rechnungen oder Beanstandungen zu Reisekosten. Hier gelte es, nicht den Kontrolleur heraushängen zu lassen. Vielmehr sollte anderen Abteilungen klar sein, warum es bestimmte Vorgehensweisen und Regeln gibt. Dies beuge auch Ärger vor, der entstehe, wenn beispielsweise der Vertrieb eine Rabattoffensive geplant hat, die von der Buchhaltung verhindert wird. Und zwar deshalb, weil es steuerliche Umsetzungsprobleme gegeben hätte und eine steuerliche Strafzahlung von mehreren Hunderttausend Euro fällig geworden wäre.

Hier spielt Dr. Wolbersen auf die wichtige Aufgabe des Rechnungswesens an, das Unternehmen nicht in finanzielle Schieflage geraten zu lassen. „Die Finanzbuchhaltung ist also gut beraten, ihre vielfältigen Leistungen für das Unternehmen, zum Beispiel auch „Risikovorsorge“ und „Erhalten der Handlungsfähigkeit durch gutes Liquiditätsmanagement“ bekannter zu machen“, nennt der Diplomkaufmann zwei Ansatzpunkte für das Selbstmarketing.

Ein weiterer Ansatzpunkt für das Selbstmarketing ist laut Dr. Wolbersen das eigene Selbstverständnis. Wie bereits bemerkt, wissen andere Abteilungen um die Wichtigkeit des Rechnungswesens, sehen einen Kontakt aber eher als Konfrontation an. Joachim Wolbersen empfiehlt eine Neudefinition der eigenen Rolle, der die Fragen „Wie sehe ich mich?“ und „Wie sollen andere mich wahrnehmen?“ vorangehen sollten.

Dies führt zum klassischen Dienstleistungsgedanken. Dann, so Joachim Wolbersen, kumuliere alles in der Frage „Wie können wir als interne Service-Abteilung dem Gesamtunternehmen helfen, erfolgreich zu arbeiten.“ Ein Ergebnis dessen könnte dann sein, dass beispiels-weise Daten wie Kennzahlen zielgruppenorientiert aufbereitet werden. „Die Arbeit ist nicht getan, wenn die Zahlen vorliegen, sondern wenn alle verstanden haben, was diese Zahlen wirklich bedeuten“, erklärt Dr. Wolbersen, wie etwa Controller mithelfen können, Fehlinterpretationen von Kennzahlen durch andere Abteilungen zu vermeiden. Unternehmen, die bereits über ausgefeilte Controlling-Tools verfügen, die den Mitarbeiter von Routineaufgaben entlasten, sind im Vorteil. „Mit Einführung der entsprechenden Werkzeuge werden auch Kapazitäten frei, die für Beratung und aktives Zugehen auf die ‚internen Kunden’ verwendet werden können“, beschreibt Dr. Wolbersen die Rollenerweiterung des Rechnungswesens.

Verhinderer wird Ermöglicher

Passende Analysefunktionen sind für den Mittelstand extrem wichtig. Quelle: cormeta

Abschottung und eine rationale Betrachtung der Dinge haben im Rechnungswesen sicher ihre Vorteile. Irgendjemand muss schließlich einen kühlen Kopf im Unternehmen bewahren. Das führt allerdings dazu, dass etwa die Finanzbuchhaltung (FiBu) als „Verhinderer“, etwa von Innovationen, wahrgenommen wird. Joachim Wolbersen empfiehlt den FiBu-Abteilungen, sich als Partner für die Gestaltung und Planung der unternehmerischen Zukunft zu präsentieren und nicht nur als Kontrolleur der Vergangenheit.

Diese Imageverbesserung ist nach seiner Auffassung mit vielen Mitteln möglich. Allen voran die Transparenz der Aufgaben, Prozesse und Entwicklungen, hinterfragt durch: „Was tun wir eigentlich?“ „Wie ticken wir und warum?“ „Worauf müssen wir uns heute vorbereiten, damit es morgen läuft?“ Dabei gehe es weniger darum, besonders beliebt zu sein, sondern ein Image zu generieren, welches darauf aufbaut, dass die Ansprechpartner im Unternehmen sehen: „Wenn wir etwas sagen, ist es wichtig, also bitte herhören.“

Ein Beispiel aus der gegenwärtigen Praxis ist die noch junge In-Memory-Technologie SAP Hana. Der Vertrieb benötigt immer aufwändigere Reports immer schneller und sieht in SAP Hana die Chance dafür. Das Rechnungswesen jedoch kann mit diesem technologischen Thema oft recht wenig anfangen, soll aber die entsprechenden Budgets freigeben. Da der Vertrieb die eigene Rechnungswesenabteilung eher als „Verhinderer“ wahrnimmt, erstellt er das In-Memory-Konzept inklusive der benötigten Mittel dafür zusammen mit der IT. Das Rechnungswesen bleibt außen vor. Wird das Rechnungswesen als „Ermöglicher“ eingeschätzt, geht die Sales-Mannschaft sicherlich zunächst auf die ReWe-Kollegen zu, um das In-Memory-Konzept auf eine sichere finanzielle Basis zu stellen, so dass es gleich auf Anhieb die Chance hat, auch genehmigt zu werden.

„Das ist nicht nur bei SAP Hana der Fall, sondern bei allen größeren IT-Projekten“, weiß auch Holger Behrens, Vorstand der cormeta ag, aus vielen Kundenprojekten. „Wer meint, etwa ein Cloud-Projekt an der Rechnungswesenabteilung vorbei durchzubekommen, der wird wenig Freude damit haben. Deshalb ist es ratsam, diese gleich von Anfang an mit einzubinden.“

Bis es dazu kommt, müssen innerhalb und außerhalb der Abteilung Maßnahmen getroffen werden. Den Mitarbeitern des Rechnungswesens rät Joachim Wolbersen, sich gemeinsam klar zu werden, wofür sie heute stehen und morgen stehen wollen – also einen Soll-Ist-Vergleich des Images anzustellen. Das Selbstverständnis müsse jedem Mitarbeiter so bewusst sein, dass er es stets nach außen trägt.

Dies habe gleichzeitig einen positiven Einfluss auf die Leistungs- und Arbeitsmotivation der Mitarbeiter, da Image integrierend wirke. Dann sollten die Zielgruppen im Unternehmen und deren Anforderungen definiert beziehungsweise analysiert werden. Nach dieser internen Eruierung der Ausganglage komme die Kommunikation mit den anderen Abteilungen. Joachim Wolbersen appelliert an die ReWe-Mitarbeiter: „Suchen Sie das Gespräch mit Ihren ‚Kunden’. Und prüfen Sie genau, wo Sie diese noch besser unterstützen können. Informieren Sie über Ihre Fortschritte und halten Sie den Kontakt.

Regelmäßige Informationen können zur Entwicklung einer engeren Beziehung hilfreich sein. Am wichtigsten aber: Werden Sie präsent im Unternehmen. Sorgen Sie dafür, dass Sie wahrgenommen werden.“ Dazu gehört seinen Ausführungen zufolge auch, dass es neben dem Leistungs-, Service- und Organisationsmarketing auch ein Personenmarketing gibt. Es muss sich auf den Kaufmännischen Geschäftsführer oder Finanzvorstand als Re-präsentanten des Bereichs Rechnungswesen konzentrieren und ein positives Image aufbauen sowie dessen Bekanntheitsgrad erhöhen.

SEPA als Chance

Welche Gelegenheiten können ReWe-Abteilungen nutzen, um sich professionell zu positionieren, und was kann man ad hoc verändern? Joachim Wolbersen nennt mit SEPA einen hochaktuellen Hintergrund für Projektmarketing. Denn so tiefgreifend SEPA sei, auf so wenig Interesse stoße das Thema bei anderen Fachabteilungen. Der Grund: Es fehlt schlichtweg an Aufklärung.

Hier spielt Dr. Wolbersen darauf an, dass es beim Selbstmarketing darum geht, auch den Nutzen einer bestimmten Maßnahme zu kommunizieren und diese Wichtigkeit beim Empfänger zu verankern. Am Beispiel SEPA verdeutlicht er: „Der Sachbearbeiter aus der FiBu erklärt dem Kollegen einer anderen Fachabteilung, dass er die 22-stellige IBAN-Nummer in die Kreditoren und Debitoren einpflege, damit die Lastschriften künftig gemäß der EU-Vorgaben abgewickelt werden können. Besser wäre es doch, dies anhand der Liquidität zu erläutern: Ich setze die europäischen Zahlungsrichtlinien um, damit alle Lastschriften reibungslos durchlaufen und wir eine hohe Liquidität haben.“

In Bezug auf Fälle wie die eingangs erwähnte Rabattaktion empfiehlt der Berater eine gemeinsame Projektplanung, etwa von Buchhaltung, Controlling und Vertrieb. Ein anderes Beispiel ist in größeren Unternehmen auch die Einführung einer Shared-Service-Organisation. Bei dieser Art von internem „Outsourcing“ hat der Berater in mehreren Unternehmen in Deutschland und Großbritannien Erfahrungen sammeln können und daran mitgewirkt, das Rechnungswesen neu und anders zu positionieren.
Change Management Prozesse in den Abteilungen unterscheiden sich im Übrigen bei kleinen mittelständischen Unternehmen und Konzernen kaum. Größere Budgets erleichtern Konzernen die Umsetzung.

Bei KMUs weiß Dr. Wolbersen aus Erfahrung, dass Neuerungen oft nach drei Monaten aufgegeben werden, wenn sie noch nicht so funktionierten wie geplant. Da haben Großunternehmen meist einen längeren Atem. Daher sein Rat an die Unternehmen, die weniger Ressourcen haben: Ausdauer beweisen und nicht zu früh aufgeben, auch wenn das Tagesgeschäft drückt. Am Ende steht die Erkenntnis, dass jede ReWe-Abteilung es selbst in der Hand hat, wie sie wahrgenommen wird – und damit haben sie Haien eine ganze Menge voraus. (rhh)

Wichtige Schritte und Fragestellungen zur Imageverbesserung im ReWe

•    Positionsbestimmung: Wo stehen wir, wie werden wir wahrgenommen?
•    Zielbestimmung: Wie wollen wir wahrgenommen werden? Als Dienstleister!
•    Fragestellung: Wie können wir als interne Service-Abteilung dem Gesamtunternehmen helfen, erfolgreich zu arbeiten?
•    Zielgruppenbestimmung: Wer sind unsere „Kunden“ im Unternehmen
•    Kommunikation mit den Zielgruppen/Abteilungen, das Gespräch suchen: Wie kann man den Kunden helfen?
•    Kontakt zum „Kunden“ halten, Informationen austauschen
•    Kooperation statt Konfrontation: Gemeinsame Projektplanung anstreben, bspw. von Buchhaltung, Controlling und Vertrieb
•    Die eigene Arbeit transparenter werden lassen: Nicht den Kontrolleur markieren, Prozesse und deren Sinn erklären
•    Personenmarketing: Profilschärfung z.B. des Kaufmännischen Geschäftsführers oder Finanzvorstands (rhh)