Software und Strategien für den erfolgreichen Mittelstand

Business Process Management und mobile Endgeräte

„Mobiles BPM“ setzt Sicherheitsmechanismen voraus

Michael Lackerbauer ist als Senior Architect bei der IBM Mobile Foundation, Europe IOT, tätig. Quelle: IBM

Der Einsatz mobiler Endgeräte in Unternehmen macht eine „Ausweitung“ im Bereich Business Process Management (BPM) nötig: Sollen End-to-End-Prozesse abgedeckt werden, müssen auch Mobilgeräte wie Smartphones und Tablets miteinbezogen werden. Michael Lackerbauer von IBM stand Solutions for Business (S4B) dazu Rede und Antwort.

Plattformfrage

S4B: Welche Mobilplattformen sehen Sie im professionellen Einsatz als besonders wichtig an?
Lackerbauer: Für den mobilen Einsatz im Unternehmensumfeld sind heute vor allem die Plattformen iOS und Android wichtig – einfach weil das die Geräte sind, die die Business-Entscheider häufig benutzen, privat wie auch beruflich. Aber auch Blackberry hat nach wie vor im Enterprise-Segment eine große Nutzerbasis und bleibt damit wichtig, vor allem auch dank des neuen Betriebssystems und neuer Touch-Geräte. Allerdings ist es bei den schnellen Trends von heute auch nicht mehr unbedingt sinnvoll, eine unternehmensweit einheitliche Mobile-Plattform durchzusetzen. Denn wer weiß, ob diese im nächsten Jahr noch so gerne genutzt wird wie im Augenblick. Stattdessen empfiehlt es sich, eine Mehrplattform-Strategie zu verfolgen. Diese kann zum Beispiel mit einem Bring Your Own Device-Konzept umgesetzt werden. Aber auch bei von der Firma gestellten Geräten sollte man die strategische Festlegung auf eine einzige Mobilplattform derzeit vermeiden.

S4B: Auf welche Art sollte die Einbindung der Mobilgeräte erfolgen?
Lackerbauer: Prinzipiell sind alle drei Methoden möglich, also dedizierte Apps, nur Browser oder mit HTML 5.0. Geht es nur darum, eine Ja/Nein-Entscheidung zu beschleunigen, ist die Einbindung über den Browser sicher ausreichend. Für komplexere Geschäftsprozesse empfehlen sich dagegen Apps. Diese haben den großen Vorteil, dass man mit ihnen die Funktionen des Geräts nutzen kann, also zum Beispiel die Kamera oder Push-Benachrichtigungen. Das eröffnet zusätzliche Möglichkeiten für das Geschäftsprozessmanagement. Zudem kann der Schritt vom Browser zur App dank Software wie IBM Worklight heute sehr wirtschaftlich vollzogen werden: Die Anwendung wird in HTML programmiert und danach über ein Framework auf die spezifischen Bedingungen einer iOS- oder Android-App angepasst. Man muss die App also nicht mehr für jede einzelne Plattform neu erfinden.

S4B: Wie wichtig ist die Online-/Offline-Problematik der Endgeräte?
Lackerbauer: Diese Problematik ist heute sicher nicht mehr gravierend, da die meisten Nutzer sowieso jederzeit online sind. Außerdem ist die Offline-Nutzung bei BPM-Apps nur bedingt möglich bzw. sinnvoll. Die meisten Geschäftsprozesse erstrecken sich über eine größere Gruppe von Mitarbeitern. Wenn ein Prozessteilnehmer eine Aufgabe im Offline-Modus bearbeitet, um das Ergebnis später zu synchronisieren, so kann es zu unerwünschten Überlappungen im Prozess kommen, da sich mittlerweile vielleicht die Informationslage geändert hat oder ein anderer Prozessteilnehmer Teile der Aufgabe erledigt hat. Allenfalls eine Art Flugzeugmodus ist für das Geschäftsprozessmanagement vorstellbar – etwa wenn ein Manager im Flugzeug ein Bündel von Ja/Nein-Entscheidungen bearbeitet, die dann bei Wiedereintritt ins Internet synchronisiert werden. Ein weiterer Punkt ist, dass offline kein Zugriff auf die Backend-Systeme möglich ist. Dem Offline-Nutzer stehen daher wertvolle Echtzeitinformationen für seine Aufgabe nicht zur Verfügung. Man kann also sagen, dass mobiles BPM in den allermeisten Fällen einen Online-Zugriff voraussetzt, um effizient zu sein.

Sicherheitsschichten

S4B: Wie kann man das Thema Sicherheit in diesem Kontext abdecken?
Lackerbauer: Mobiles BPM bedeutet, dass unternehmenswichtige Informationen im ungeschützten Raum außerhalb des Unternehmensnetzwerks transportiert werden. Das erfordert natürlich besondere Sicherheitsmaßnahmen. Zum einen ist hier eine zusätzliche Sicherheitsschicht erforderlich. Diese sorgt dafür, dass der mobile Nutzer ordnungsgemäß im Unternehmensnetzwerk authentifiziert wird, etwa über mobiles VPN.

S4B: Gibt es weitere Aspekte zu beachten?
Lackerbauer: Außerdem müssen Geräte bzw. Inhalte remote gesperrt bzw. gelöscht werden können, falls ein Mobilgerät verloren geht oder gestohlen wird. Dies kann entweder auf Anwendungsebene mittels MAM – Mobile Application Management – oder auf Geräteebene über MDM – Mobile Device Management – erfolgen. Und nicht zuletzt müssen die Daten auf dem Weg zwischen Backend und Mobiltelefon verschlüsselt werden, zum Beispiel mit Hilfe einer Hardware-Appliance-Box. Zum anderen sollte ein Unternehmen nicht alle Prozessschritte und -aufgaben mobil zur Verfügung stellen. Sehr kritische Aufgaben sollten nicht mobil bearbeitet werden können. Das mobile BPM dient vor allem zur schnelleren Erfüllung bestimmter Standardaufgaben – und dazu zählt ja nicht unbedingt die Entscheidung über ein Milliardengeschäft.

 

Potenziale

S4B: Wie kann die Optimierung der Geschäftsprozesse die speziellen Charakteristika der Mobilgeräte abdecken?
Lackerbauer: Hierfür muss man sich immer zuerst überlegen, welche Teile des Geschäftsprozesses man eigentlich mobil benötigt. Nicht alle Aufgaben lassen sich sinnvoll mobil erledigen. Wenn es zum Beispiel um komplexe Ordering-Prozesse geht, zu denen viele Informationen aus unterschiedlichen Quellen eingesehen werden müssen, dann lässt sich das bestimmt effizienter am Schreibtisch erledigen, da helfen auch die Schweizer-Taschenmesser-Funktionalitäten eines Smartphones wenig.

S4B: Wo hilft "Mobile" am meisten?
Lackerbauer: Das mobile Endgerät hilft im Geschäftsprozess am meisten, wenn damit Entscheidungen schneller getroffen werden und der Prozess dadurch beschleunigt werden kann. Und hier können die nativen Funktionen eines Smartphones sehr gut helfen: Mit der Kamera kann ein Versicherungsmitarbeiter einen Schaden dokumentieren und gleich an den Gutachter weiterleiten; Barcodes können ausgelesen und mit dem Backend abgeglichen werden; Entscheider können per Push-Benachrichtigung darüber informiert werden, dass sie aktiv werden müssen und vieles mehr.

S4B: Welche Bereiche im Unternehmen haben das größte Optimierungspotenzial, wenn über „mobile BPM“ die Prozesse optimiert werden?
Lackerbauer: Das größte Potenzial von mobilem BPM liegt in der Beschleunigung von Entscheidungen. Indem Entscheidungsträger über ihr Smartphone oder Tablet mit dem Prozess verbunden bleiben, auch wenn sie unterwegs sind, reduziert man Prozessunterbrechungen beträchtlich, einfach indem man nicht mehr warten muss, bis der Entscheider sich nach der Reise wieder an seinem Schreibtisch eingeloggt hat. Die schnelle E-Mail-Kommunikation ist hierfür nur ein unzulänglicher Ersatz, da diese Entscheider-E-Mails nicht im Prozesskontext dokumentiert werden. Genau das leistet aber mobiles BPM – und als App ist es dabei mindestens genauso agil wie die entkoppelte Mail-Kommunikation.

Rainer Huttenloher