Software und Strategien für den erfolgreichen Mittelstand

Im Interview: Peter Dibbern, Head of Business Development, PSIPENTA

Das müssen ERP-Systeme der Zukunft abdecken

Peter Dibbern, Head of Business Development bei PSIPENTA; Quelle: PSIPENTA

Schlagworte wie Industrie 4.0, Multi-Channel-Strategien, Smart Services oder auch die „App-ifizierung“ von Business-Software werden von den Marktforschern ins Spiel gebracht, wenn es darum geht, die ERP-Systeme der Zukunft zu skizzieren. Im Interview mit dem Midrange Magazin (MM) verdeutlicht Peter Dibbern, Head of Business Development bei PSIPENTA, welche Trends er als zielführend erachtet.

Das Leitsystem

MM: Wie sieht das ERP-System der Zukunft aus?
Dibbern: Persönlich bin ich davon überzeugt, dass Enterprise-Resource-Planning-Systeme ihre Funktion als Leitsysteme behalten werden, jedoch eine stärkere Integration in Softwaresysteme auf Werkstatt- bzw. Maschinenebene und die bereits erwähnte Öffnung zu Fremdsystemen vonnöten ist. Sicher werden diese Systeme auch agiler und flexibler werden und überall dort, wo es Sinn macht, noch mittels Apps um zusätzliche Nutzergruppen erweitert. Die momentane IT-Welt widerspiegelt die derzeitige Situation der Produktion. Wir sehen große und mächtige Werkzeuge mit enormen und gewachsenen Funktionsumfängen. Viele Funktionen sind nur bei wenigen Anwendern in Nutzung, weshalb der Trend hin zu smarten, nutzerzentrierten Softwaremodulen geht, die sich durch einfache Bedienung mit überschaubarem Funktionsumfang auszeichnen.

MM: Wie muss ein ERP-System gebaut sein, um hier keine „Bremse“ darzustellen?
Die großen Herausforderungen liegen vor allem in der Entwicklung offener Schnittstellenstandards und natürlich in der Bewältigung großer Datenmengen in Echtzeit. Hochauflösende und agile Produktionssteuerungssysteme sind auf die Bewertung der Produktionsdaten in Echtzeit angewiesen. Ein ERP-System muss die notwendige Flexibilität bei gleichzeitiger Ressourcenschonung und eine Kommunikation zwischen verschiedenen Firmen und über Ländergrenzen hinweg unterstützen bzw. vereinfachen.

Industrie 4.0

MM: Industrie 4.0 bringt viel mehr Informationsobjekte in die Gleichung ein – welche Voraussetzungen muss ein ERP-System mitbringen, um die gestiegenen Datenmengen und die zusätzlichen Abläufe im Unternehmen zu beherrschen und zu unterstützen?
Dibbern: Klassisches ERP reicht nicht mehr aus. Wir erfahren viel mehr eine Renaissance des Produktplanungssystems im Kontext der Visualisierung und Flexibilisierung von Produktionsprozessen sowie der Anbindung von Maschinen an darüber angeordnete Softwaresysteme. Bei energieintensiven Industriebetrieben kommen im Optimierungsprozess die Energieverbräuche als Parameter hinzu. Daten werden urplötzlich zum Produktionsfaktor, ihre Qualität zum Zünglein an der Waage. Das Zusammenspiel der Module auf Werkstatt- und Planungsebene wird dabei eine ganz entscheidende Rolle spielen.

MM: Sichere Daten im Kontext von Industrie 4.0 – lässt sich das abdecken?
Dibbern: Duschen, ohne Nass zu werden, geht halt nicht. Umso mehr ich digitalisiere, desto mehr Angriffsflächen bieten sich. Das Y2K-Problem spielte in Rumänien keine Rolle, in Ländern mit hohem Automatisierungsgrad und IT-Einsatz aber sehr wohl. Hätte man deshalb in hoch technisierten Ländern die Uhr zurückdrehen wollen? Das „Internet of Everything“ ist da, gleichzeitig werden Prozessoren immer günstiger und die Bereitschaft Informationen zu teilen immer verbreiteter. Welche Daten für ein Unternehmen wirklich als „Intellectual Property“ oder schützenswert gelten und welche Daten ohne Bedenken preisgegeben werden können, muss jeder Betrieb für sich selbst festlegen. Kein Maschinenbauer wird heute seine Anwendungen komplett in einer „Public Cloud“ fahren, sondern möglicherweise einen hybriden Ansatz bevorzugen, um unternehmenskritische Softwaresysteme im eigenen Rechenzentrum zu hosten, während CRM-Funktionen über die Cloud bereitgestellt werden. Die absolute Sicherheit gibt es ohnehin nicht.

Rainer Huttenloher