Software und Strategien für den erfolgreichen Mittelstand

Komplette Durchgängigkeit bietet die größten Vorteile

Kopplung des Rechnungswesens mit dem ERP-System

Dirk Bingler, GUS
Dirk Bingler, GUS Deutschland GmbH

Viele Argumente sprechen für die möglichst enge Integration der Rechnungswesen-Software in das Kern-ERP-System. Doch es gibt durchaus Konstellationen, in denen Unternehmen mit einem Dritthersteller-Ansatz besser beraten sind. Zu diesem Thema diskutierten acht Experten aus der deutschen ERP-Branche auf dem S4B-Roundtable in München.

Eigenentwicklung

Peter Forscht
Peter Forscht, COO, International Partnerships, bei Abas Software AG.
Henrik Hausen
Henrik Hausen, Vorstand Alpha Business Solutions AG

„Wir setzen auf die Eigenentwicklung von der Pike auf und haben für das Thema Rechnungswesen keine Fremdsoftware integriert“, erklärt Peter Forscht. Der Chief Operating Officer und für International Partnerships zuständige Firmenmitbegründer der Abas Software AG sieht vor allem in der Durchgängigkeit den ausschlaggebenden Vorteil: „Bei Bedarf kann der Anwender im Drill-Down gleich erkennen, wie sich die betreffende Zahl zusammensetzt – und das geht nur bei einer vollständigen Integration. Denn dann sind ERP-Datenobjekte auch Fibu-Datenobjekte. Oder konkret formuliert, beispielsweise sind Kunden und Lieferanten in den Stammdaten gleichzeitig auch Debitoren oder Kreditoren in der Finanzbuchhaltung.“

Volle Integration

Dieser Einstellung schließt sich auch der Vorstand der Alpha Business Solutions AG, Henrik Hausen, an: „Wir setzen bei der ERP-Komplettlösung proALPHA ebenfalls auf die volle Integration der Finanzsoftware. Früher waren die Stand-alone-Finanzbuchhaltungspakete deutlich umfangreicher als die in den integrierten Systemen. Mittlerweile ist der funktionale Unterschied nicht mehr gegeben. „Vorausgesetzt es gibt eine einheitliche Datenbasis, dann kann der Anwender durch die nahtlose Integration aller Mengen- und Werteflüsse das System im vollen Umfang nutzen. Dabei entscheidet der Anwender, in wieweit er Finanzdaten und die entsprechenden Vorgänge recherchieren muss oder übergreifendes Reporting notwendig ist.“

Aber auch Schulungsaspekt spreche für die integrierte Lösung: Die Benutzerführung ist identisch, damit sind auch Anwender in der Lage, schnell Aufgaben aus anderen Bereichen Arbeiten auszuführen. Doch manchmal sprechen, so Hausen, beim Anwender spezielle Vorgaben dagegen. „Dann muss sich der ERP-Hersteller flexibel zeigen. Bei Installationen von proALPHA setzen etwa 95 Prozent auf das integrierte Rechnungswesen. Die restlichen Unternehmen haben eine andere Software im Einsatz, sind sich dann aber auch bewusst, dass diese enge Integration nicht gegeben ist. Allerdings müssen diese Firmen sich dann auch bewusst sein, dass eine tiefe Integration nicht gegeben ist.“

Alles auf einem Blick

„Das Rechnungswesen muss integriert sein – und zwar sehr eng.“ Diese Devise stammt aus dem Mund von Dr. Christoph Kurpinski, Vorstandsvorsitzender der Comarch Software und Beratung AG. „Der Anwender hat sich das ERP-System angeschafft, um an einer Stelle alles im Griff zu haben – die Stammdaten, Artikeldaten, alles muss hinterlegt sein. Sämtliche Vorgänge sind dort abgebildet.“

Für Kurpinski ist die Finanzbuchhaltung – Fibu – eine notwendige Ergänzung, um die Funktionsweise des ERP-Systems so abzurunden, dass die Finanzbehörden, die Unternehmensleitung und das Controlling damit zufrieden sind. „Daher haben wir bei Comarch die Fibu voll integriert.“ Doch damit handle man sich auch Themen ein, die zu lösen sind: „Der Release-Zyklus der ERP-Systeme kann nicht sofort geändert werden, wenn ein Ministerium sich entschließt, gesetzliche Vorgaben binnen zwei Monaten zu ändern“, gibt er zu Bedenken. „Daher ist das Finanzbuchhaltungssystem anders gebaut als das ERP-System. Bei unserem unser Systeme, das früher unter dem Namen Semiramis vermarktet wurde und nun unter der Bezeichnung Comarch ERP Enterprise angeboten wird, setzen wir dazu auf eine App-Technologie: Wir schaffen im ERP stabile, Release-unabhängige Schnittstellen auf die dann die Fibu aufsetzt.“

Länderspezifische Varianten einbinden

Dieses Modell wurde weiter entwickelt, denn es gibt nationale Varianten – sprich landesspezifische Besonderheiten mit eigenen rechtlichen Anforderungen und dem entsprechenden Timing-Vorgaben – die man einzuhalten hat. „Die sind dann wieder unabhängig von der restlichen Fibu, müssen aber entsprechend geändert werden können – können. Damit setzen wir mehrere Apps aufeinander.“ Das lasse sich nicht beliebig erweitern, denn das würde den Deployment-Prozess zu schwierig machen.

Doch ein dreistufiger Ansatz nach diesem Konzept lässt sich abbilden, so Dr. Kurpinski. Als Vorteil sieht er die gemeinsame Benutzeroberfläche. „Wer sich mit der Visualisierung in einem ERP-Modul, etwa der Auftragserfassung auskennt, kann auch Dinge in der Fibu nachschauen, ohne ein anderes Bedienkonzept erlernen zu müssen.“

 

Enge Kopplung

Herbert Feuchtinger
Herbert Feuchtinger, Vice President Consulting & Support bei IFS Deutschland GmbH & Co. KG
Matthias Sartor
Matthias Sartor, Regional Vice President Business Consulting DACH bei Infor

Zu den Vorteilen der Kopplung zählt Dirk Bingler, der Sprecher der Geschäftsführung bei der GUS Deutschland GmbH, auch Themen wie Kostenrechnung und Deckungsbeitragsrechnung oder Kalkulation: „Denn der Wertekreislauf und der Warenfluss werden zusammengefügt – am Beispiel der Nahrungsmittelindustrie lässt sich das schön zeigen. Hier geht es um Cent-Beträge im Auftrag. Wenn man da verlässliche Kalkulationsgrundlagen besitzt, bringt eine enge Kopplung von ERP und Rechnungswesen beim Kalkulieren neuer Aufträge einen großen Vorteil.“

Operative Vorteile zeichnen sich ab

Weitere Pluspunkt erkennt Bingler eher bei operativen Vorteilen: „Die enge Integration von Fibu und ERP erlaubt ein Steuern durch vordefinierte Workflows, dass man zum Beispiel gewisse Aufträge gar nicht mehr bearbeitet, wenn bestimmte Kennzahlen etwa in Form von offenen Posten aus der Fibu überschritten werden. Sprich man kann auf Funktionen zugreifen, die einem bei einer separaten Fibu verborgen bleiben würden.“
Das gelte auch bei der Liquiditätsplanung, die eigentlich im Finanzwesen abgewickelt wird: „Wenn ich auf zusätzliche Infos aus dem ERP-System zugreifen kann – etwa auf anstehende Aufträge und Umsatzprognosen, bekomme ich eine ganz andere Aussagequalität bei den integrierten Systemen.“

Auch die IFS sieht das Rechnungswesen als integralen Bestandteil der ERP-Software. Herbert Feuchtinger, Vice President Consulting & Support bei der IFS Deutschland GmbH & Co. KG, argumentiert wie folgt: „Wir schaffen so eine enge Verknüpfung. Damit stehen dann alle Informationen zur Verfügung. Eine redundante Datenhaltung wird vermieden – alles findet sich in einer Datenbank, mit allen Debitoren und Kreditoren.“

Weniger Synchronisationsaufwand

Ein aufwändiges Synchronisieren entfällt dabei, ein einheitliches Rollen- und Rechtesystem ist gültig, es seien keine zwei Rechte- und Rollenverzeichnisse, auf ERP- und Fibu- Seite, zu führen. „Auch die Benutzerführung ist dann identisch – das hilft bei der Bedienung.“ Es seien zudem immer wieder Probleme zu verzeichnen, wenn ein externer Anbieter einer Fibu die Schnittstelle ändert. Dann müsse auf der ERP-Seite ein Nachbessern erfolgen. Zudem bringt die enge Integration für weitere Module – etwa Analytik- Tools – Vorteile: „Wenn alles in nur einer Datenbank vorliegt, gibt es für die Analytik bessere Ausgangsdaten.“

Bei Infor liegt eine andere Ausgangssituation vor. Das Unternehmen hat aufgrund der vielen Zukäufe die Verantwortung für ein sehr breites Spektrum von Anwendungsszenarien übernommen, wie Matthias Sartor, Regional Vice President Business Consulting DACH, ausführt: „In manchen Installationen kommt nur ein reines Fibu-System zum Einsatz – das sind über 3.000 Kunden – und die verwenden kein ERP-System von Infor. Sie haben andere ERP-Systeme, wie etwa Semiramis, im Einsatz und wollen das auch behalten. Dann gibt es noch Konstellationen mit einem ERP-System, die über kein eigenes Fibu- oder Kostenrechnungs- Modul verfügen. Die werden mit Softwaremodulen von anderen Infor- Standorten, wie Fibu oder Human Resources – HR – verbunden. Damit lässt sich dann aber auch ein hoher Integrationsgrad erzielen – ganz so als wenn man alles aus einer Entwicklergruppe heraus selbst entwickelt hätte. Und wieder andere ERP-Systeme aus dem Haus Infor verfügen bereits selbst über die integrierten Finanzmodule.“

Wahlfreiheit ist gefordert

Sartor will damit den Wünschen der Anwender folgen: „Es gibt immer Unternehmen, die Wahlfreiheit haben wollen und sagen, sie möchten ihre bisherige Fibu behalten.“ Andere Situationen, in denen in der Zentrale aufwändige ERP-Systeme etwa von Oracle oder SAP zum Einsatz kommen und die dann auch die Fibu vorgeben, erfordern, so Sartor, mitunter in kleineren Lokationen eine andere ERP-Software: „Denn die großen Konfigurationen sind in vielen Fällen ein Overkill für derartig verteilte Unternehmen. Dort kommen dann schlankere ERP-Systeme in den Zweigstellen zum Einsatz und die haben dann mit den großen ERP-Systemen im Hauptsitz zusammenzuspielen.“ In derartigen Situationen müsse auch eine Schnittstelle beim kleinen ERP-System zum Rechnungswesen in der Zentrale bestehen. „Hier verlangen die Anwender aber immer eine sehr enge Integration mit den großen Systemen“, gibt Sartor zu Bedenken. „Wir haben sehr viel investiert, um diese Schnittstellenanforderungen zu den Konzernsystemen hin zu bekommen. Es wurde eine Integrationsplattform gebaut – ION, Infor Open Network. Damit bieten wir dann auch die Möglichkeit der tiefgreifenden Integration.“

Cloud-Einsatz

Thomas Rosenstiel
Thomas Rosenstiel, Director Europe Plex Systems
Egon Steinkasserer
Egon Steinkasserer, CTO Würth Phoenix
Dr. Christoph Kurpinski
Dr. Christoph Kurpinski, Vorstandsvorsitzender Comarch Software und Beratung AG

Bei Plex Systems wird das ERP-System den Anwenderunternehmen komplett aus der Cloud zur Verfügung gestellt. Von der Historie her, so Thomas Rosenstiel, Director Europe bei Plex Systems, ist die Funktionalität vor allem auf Fertigungsunternehmen zugeschnitten: „Das Accouting kam später dazu, wir sind gestartet mit dem Thema Manufacturing Execution Systems. Aber in 95 Prozent aller Fälle bringen wir mittlerweile das Accouting mit dazu – ein wichtiger Grund ist die Reduzierung der Komplexität.“ Das Nutzen von anderen Systemen führe immer zu einer komplexeren Infrastruktur, auch wenn man die Schnittstellen noch so gut nutzen kann. Und im selben Maße steigt damit das Ausfallrisiko.

Vorteile von ERP aus der Cloud

Die Vorteile von ERP aus der Cloud liegen, so Rosenstiel, auf der Hand: „Nur eine Installation, keine Update, keine Release-Wechsel beim Kunden, alles erfolgt transparent in der Cloud.“ Damit könne man Integrationen schneller vorantreiben. Dabei ist allerdings die Integrationstiefe wichtig. Auch das Stichwort Echtzeitinformation kommt ins Spiel: „Je direkter man sehen kann, wie viele Teile produzier wurden und je weiter diese Informationen ‚nach oben‘ – also in das Reporting oder das Rechnungswesen – gegeben werden müssen, umso besser ist die tiefgreifende Integration. Denn der Anwender bleibt näher am realen Wertebestand im Unternehmen.“
Daran gekoppelt sieht Rosenstiel die Prozessintegration. „Auf diese Art lassen sich Workflows abbilden, zum Beispiel von der Buchhaltung bis zur Maschine. Das liegt dann alles in einem System und muss nicht über Technologien wie SOA implementiert werden. Bei verteilten Systemen wird die Komplexität oftmals zu hoch, wenn man Business Process Management – BPM – umsetzen möchte.

Zwei Sichtweisen treffen bei Würth Phoenix aufeinander: „Zum einen vertreten wir die Microsoft-Fraktion mit Dynamics AX und Branchenschwerpunkt auf Großhandel und Logistik, und das wird international eingesetzt, in 28 Sprachen und 38 Länderversionen“, erläutert Egon Steinkasserer. Der Chief Technology Officer hat allerdings auch seine „Systemhaus-Brille“ auf und gibt daher eine differenziertere Antwort: „Ohne ERP-System mit tiefgreifender Integration kann man nicht am Markt bestehen. Doch in 20 Prozent aller Fälle wird die Integration nicht so tiefgehend benutzt. Dabei gilt aus meiner Erfahrung die Faustregel – je kleiner das Unternehmen, umso wichtiger ist die Integration.“

Behandlung von Sonderfällen

Denn bei kleineren Einsatzfällen sei ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin mit mehreren Bereichen der Software betraut: „Da führt die Auftragssachbearbeiterin auch Aktionen im Rechnungswesen aus“. Auch je nach Branche gebe es verschiedene Ansätze: „Ein Handelsunternehmen braucht nicht unbedingt eine sehr tiefgreifende Kopplung für die Kostenrechnung – ganz anders verhält es sich im produzierenden Gewerbe. Hier muss die Kostenrechnung tief integriert sein, denn sonst lässt sich der Produktionsprozess nicht gut genug überwachen.“ Die Internationalisierung stellt die Kombination von Rechnungswesen und ERP-Kernfunktion vor einige Herausforderungen.

„Unsere Software kommt in 32 Ländern zum Einsatz“, gibt Abas-COO Forscht zu Protokoll. Dabei stelle sich die Frage nach einer weitgehenden Flexibilität: „Unter Umständen muss man in manchen Ländern Sachen ausführen können, die in anderen Regionen verboten sind. Zum Beispiel sind Änderungen an gebuchten Rechnungen in der Türkei gang und gäbe – das darf man hierzulande auf keinen Fall machen.“

Daher müsse die Software so geschrieben werden, dass sie beide Varianten unterstützen kann. „Ein anderes Beispiel sind die verschiedenen Bilanzierungsrichtlinien – einmal nach US GAAP und andererseits HGB“, argumentiert Forscht. In separaten Systemen sei das nur sehr schwer zu beherrschen. Ein anderes Problem ergibt sich in Ländern mit einer „dynamischen Rechtsgebung“. „In Russland ändern sich die Gesetze unter Umständen im 14-Tage-Rhythmus. So schnell kann eine Softwarefirma gar nicht reagieren und die Software anpassen“, konstatiert Forscht. „In anderen Ländern wie etwa  Indien ist die Finanzsoftware gesetzt – Tally hat dort einen Marktanteil von 95 Prozent. Da muss man diese Rechnungswesen-Software anbinden können – mit den ganzen Nachteilen, die bereits diskutiert wurden. Anders kann man auf dem Markt nicht bestehen.“

Andere Länder, andere Sitten

Bei Comarch zieht Dr. Christoph Kurpinski einen eher engeren Kreis. „Wir entwickeln in erster Linie für die DACH-Region und darauf wird alles optimiert. Andere Länder und Regionen können unterstützt werden, haben bei uns aber nicht die erste Priorität.“ Hohe Anforderungen im DACH-Bereich sieht auch Herbert Feuchtinger von IFS: „Wir adressieren den gehobenen, globalisierten Mittelstand. Also nicht nur Unternehmen, die in DACH und vielleicht noch Italien, sondern weltweit tätig sind.“ Diese Klientel sei auf allen Kontinenten tätig – sie benötige ein vollständiges ERP für alle Kontinente. „Brasilien, Russland, China – das müssen wir alles berücksichtigen, damit die Anwenderunternehmen in diesen Ländern den Rollout schaffen“, ist Feuchtinger überzeugt. „Wir müssen dann den Kunden sagen, in Indien müsst ihr auf das und jenes aufpassen, das haben wir bisher immer auf diese Art gelöst.“

Dieses Argument lässt sich allerdings auch heranziehen, um für das Übertragen des Rechnungswesens an einen spezialisierten Dritthersteller zu plädieren.  Doch dazu bezieht Feuchtinger eindeutig Stellung: „Die technische Integration gibt den Ausschlag. Will man über alle betriebswirtschaftlichen Bereiche einen nahtlosen Werte- und Mengenfluss abbilden, dann wird das zur Quadratur des Kreises – sprich es lässt sich mit vertretbarem Aufwand nicht mehr beherrschen. Es gilt dann ja auch Systeme aus unterschiedlichen Programmiersprachen zu verbinden, da kommen verschiedenste Andockstellen ins Spiel. Das ist alles irgendwie machbar – aber für die Fibu in einem internationalen Unternehmen ist es beim Anspruch der hohen Integration nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand zu realisieren.“

Sonderlösungen für Konzernumgebungen

Aber auch Feuchtinger gesteht zu, dass es in Konzernumgebung Sonderlösungen zu beachten sind: „Da ist es in einigen Sonderfällen gesetzt, dass die Fibu von SAP zum Einsatz kommt.“ Rosenstiel pflichtet hierbei: „Es gibt immer Mischinstallationen, wo man drei Länder machen kann und im vierten – zum Beispiel Indien – ist dann eine andere Software gesetzt. Je internationaler man unterwegs ist, umso mehr muss man sich diesem Thema verschreiben. Integration hat eben viele Vorteile, aber die Realität erfordert manchmal andere Lösungen.“
Integrationstiefe zieht auch Kosten nach sich – dieses Thema spricht Steinkasserer an: „Das muss man seinen Kunden auch klar machen. Es stellt sich dann immer die Frage, ob diese Investition denn überhaupt einen Return bringt.“

Die Konzentration auf eine eigene Fibu mit weltweitem Einsatz ist für Dr. Kurpinski dann doch mit zu hohen Investitionen verbunden: „Wir wollen in bestimmten Regionen gut sein und uns dort auch mit den Besten messen. Doch international – das heißt in allen Ländern lässt sich das nicht abbilden. Wenn uns jemand im internationalen Umfeld benötigt, ist das nie wegen der reinen Finanzbuchhaltung, sondern primär wegen des ERP-Kernsystems. Da geht es primär um die Prozess-Steuerung, Warenbestand und Produktion. Besser erscheint hier der Ansatz, dass man mehrere Buchführungsstandards, wie HGB, US GAAP oder IFRS, in einem System unterstützt. Dann ist man flexibel in Bezug auf die Länderversionen und zudem kommen alle Daten von einer zentralen Stelle.“

Weltweite Ausrichtung ist gefordert

Voll auf den weltweiten Zuschnitt setzt dagegen Sartor: „Bei Infor verhält sich das ganz anders. Nur in 20 Prozent aller Fälle wird lediglich der Einsatz nur in der DACH-Region angefragt, alles andere ist komplett international. Viele Kunden brauchen die einzige Lösung, sie wollen Ansprechpartner im Support haben, auch in einer anderen Zeitzone.“ Eine Sondersituation seien oftmals die kleinen Projekte eines großen Unternehmens, etwa beim Beispiel Gasexploration. „Wenn ein Bohrturm in Kasachstan aufgestellt wird, braucht das Unternehmen eine kleine ERP-Lösung vor Ort“, kommentiert Sartor. „Dann sind für die Zeit, in der der Bohrturm steht, eine kleine Warenwirtschaft, eine Fibu und womöglich eine Kostenrechnung nötig. Müsste das Unternehmen das ‚Konzernsystem‘ einsetzen, ist die Baustelle schon wieder abgebaut, bis diese Software läuft.“ Ansonsten sieht sich der Infor- Manager mit der Frage konfrontiert, ob ERP-Kernfunktionen und Rechnungswesen aus einem Guss kommen oder auch nicht: „Hier erweist sich der Aufbau einer kompletten Integrationsplattform als ein sinnvoller Ansatz. Da investieren wir sehr viel, wichtig ist vor allem die Integration von Daten und Prozessen. Hier hat sich auch ein Standard herauskristallisiert: Oagis. Unternehmen wie Microsoft, Oracle oder Infor einigen sich dabei auf Standards für den Datenaustausch auf XML-Basis: die Business Objects Documents (BODs).“ Allerdings bleibt der Marktführer SAP bei den iDOCS – dazu müsse eine Verbindung aus Oagis hergestellt werden: „Damit können Daten und Prozesse miteinander kommunizieren. Danach kann man sich auf die Organisationsaspekte beim jeweiligen Kunden konzentrierten, die Technik selbst wird dann über die Standards abgebildet.“

Als Quintessenz fasst Dirk Bingler zusammen. „Die Lösung für das Finanzwesen im Ausland – da erscheint eine Vollintegration unter Umständen als zu teuer. Ein jeder Anbieter muss sich daher fragen, was er wirtschaftlich abbilden kann und ob das flexibel genug ist, um externe Systeme anzubinden.“ Bei der Lösung aus dem Haus GUS stammt der Bereich Finance von einem Partner, der K+H Software. „Die haben das auf unserer Technologie auf unserem Framework aufgebaut. Damit ist das voll integriert. Das Einbinden anderer Finance-Systeme können wir auch – doch dann gibt es keine so tiefe Integration. Sie läuft dann ‚nur‘ über XML, Webservices & Co. Hier muss man sich dann im jeweiligen Fall genau ansehen, welche Integrationstiefe nötig ist.“

Mittelstand braucht internationale Unterstützung

Der Fokus bei der GUS Group liegt auf dem klassischen Mittelstand, und der hat seine Werke häufig in Ausland und dann muss man entscheiden, wie dort die Lösung aussieht. Das kann durchaus auch ein Partner vor Ort sein, dessen Lösung man integriert.“ Zudem zeige nach seiner Ansicht die SAP einen Trend auf: „Business by Design entwickelt sich eher dazu, die vollumfängliche Integration nicht mehr so stark in den Vordergrund zu stellen, sondern einzelne Services wie HR oder Finance quasi als Häppchen anzubieten.“ Als SAP-Partner für den Einsatz von Business ByDesign kann Hausen für die Alpha Business Solutions auf erste Erfahrungen aus Projekten verweisen: „SAP Business ByDesign ist vor allem für mittelständische Unternehmen attraktiv, die eine nahtlose Integration haben möchten. Darüber hinaus will SAP künftig branchenspezifische Anpassungen von Partnern entwickeln lassen. ByDesign wird als Kern bestehen bleiben. Die Öffnung nach außen, die Kopplung zu Fremdsystemen sowie Ergänzungen in und aus der Cloud sprechen für ByDesign.“ Die Zielmärkte von ALPHA Business Solutions seien mit dem klassischen SAP-Großkundenangebot nicht zu erreichen.

Rainer Huttenloher