Software und Strategien für den erfolgreichen Mittelstand

Dispositionsexpertise für die Regalpflege

Volle Regale und gute Margen

Die Advanced Planning and Scheduling Software DISKOVER unterstützt die simulationsbasierte Planungsautomatisierung. Quelle: SCT GmbH

Wollen Zulieferer von DIY-Markten ihren Kunden stets volle Regale und gute Margen bieten, reicht es nicht aus, die JIT Supply Chain 4.0 aus dem Fertigwarenlager oder der letzten verfügbaren Maschine zu speisen.

Wer nachhaltig erfolgreich sein will braucht eine viel weitreichendere Dispositions-Strategie, denn nur so kann man bei höchster Lieferbereitschaft den Fertigwarenbestand abbauen und so enorme Kosten sparen. Hier bietet sich der Einsatz einer Advanced Planning and Scheduling Software an.

Dispositionsprozesse

Dreistöckige Profilregale bei der GAH Alberts; Quelle: SCT GmbH

Baumärkte wollen stets volle Regale – ideal mit Schnelldrehern und guten Margen. Zuliefernde Unternehmen stellen dafür teilweise eigene Rack-Jobber bereit oder engagieren Absatzserviceunternehmen dafür, um ein jederzeit perfekt gepflegtes Sortiment präsentieren zu können. Mit Lösungen wie ‚Logistik 4.0‘ will man die Absatzzahlen noch genauer auf den Punkt bringen und im Idealfall mit Losgröße 1 reagieren. Doch all diese Bemühungen führen nicht zum Erfolg, wollen Lieferanten diese zum Teil auch sehr schwankenden Bedarfsmeldungen immer schnellstmöglich beispielsweise binnen 24 Stunden bedienen.

Hierfür müssten sie nämlich zum Teil sehr hohe Bestände im Fertigwarenlager vorhalten oder aber JIT-Kapazitäten für die Produktion. Beides ist außerhalb der Spitzenlastzeiten überflüssig und damit auch teuer und bindet Kapital. Deshalb suchen zuliefernde Unternehmen nach Möglichkeiten, dies alles günstiger umzusetzen, um letztlich auch dem Baumarkt attraktive Preise machen zu können.

Das Potenzial ist enorm: Neben der Kapitalbindung, die an sich ja schon zu totem Kapital führt, liegen sogar 18 bis 30 Prozent weitere Kosten in den Beständen, die sich aus Kapitalkosten, Versicherungen, Verwaltung, Lagerkapazitäten und so weiter ergeben. Diese Kosten muss der Baumarkt bezahlen, wenn die Logistikkette nicht stimmt. Wie kann man aber die Lieferbereitschaft sogar steigern und gleichzeitig die Beständen abbauen?

In erster Linie ist es eine Frage von besseren Dispositionsprozessen. Man kann beispielsweise Schnelldreher in kürzeren Abständen liefern. Das reduziert die Lagerkapazitäten. Selten nachgefragte Produkte wiederum fertigt man bei Bedarf und verbannt sie direkt aus dem Fertigwarenlager. Zudem kann man den logistischen Entkopplungspunkt durch Modularisierung möglichst weit an das Ende der Supply Chain setzen und so Bestände über die gesamte Supply Chain hinweg abbauen. Viele logistische Stellgrößen sind zudem von Bauch geplant und per Hand ausgeführt. Ein Palettenplatz im LKW mit Langsamdrehern zu füllen, nur um Frachtkosten zu sparen, treibt in der Summe schnell die Lagerbestände in die Höhe. Es gilt also vieles über die gesamte Supply Chain hinweg zu optimieren.

Ein Unternehmen aus der Metallbranche, dass Zulieferer für Baumärkte ist, hat es beispielsweise geschafft, seine Bestände deutlich zu senken und gleichzeitig den Lieferbereitschaftsgrad zu steigern: GAH Alberts. Der Hersteller von unter anderem Beschlägen, Profilen und Zauntechnik konnte kurzfristig 13 Prozent und satte 53 Prozent der Bestände in neun Monaten reduzieren. Mehr als die Hälfte des Fertigwarenlagers war also mit Material bestückt, welches nicht unmittelbar benötigt wurde, um dennoch eine hohe Lieferbereitschaft zu erfüllen.

Ein weiterer Zulieferer für Baumärkte aus dem Bereich der Lampen musste die Herausforderung meistern, dass die Komponenten der Produkte, die überwiegend nach eigenen Entwürfen gefertigt werden, größtenteils in China beschafft wurden. Die Lieferzeiten betragen hier zwischen 60 und 150 Tagen. Die Kunden, Fach- und Großhandelsunternehmen, fordern jedoch durchgehend höchste Lieferbereitschaft. Täglich laufen ca. 20.000 Kundenauftragspositionen, größtenteils mit einer Lieferfrist von 24 Stunden, ein. Daher ist auf der Beschaffungsseite ein ausreichend hoher Bestand erforderlich. Verändert sich die Bedarfssituation jedoch auf Kundenseite, werden die zuvor lange im Voraus beschafften Artikel nicht mehr benötigt und zum Überbestand. Solche Problemstellungen gilt es demnach zu managen.

Nachfrageschwankungen

Andreas Capellmann ist Geschäftsführer der SCT GmbH Quelle: SCT GmbH

Fast jedes Unternehmen hat mit Nachfrageschwankungen zu kämpfen, sei es bei der Einführung neuer oder der Abkündigung alter Produkte, Wettbewerbsaktionen oder eine sich generell verändernde Nachfrage. Die Besonderheit bei GAH Albers war die Tatsache, dass die Produkte bei einem extrem starken Saisonverhalten unterliegen, da u.a. viele Materialien für den Gartenbereich hergestellt und verkauft werden.

Dabei reichen in der Hochsaison die verfügbaren Kapazitäten in der Produktion nicht aus, vollständig marktsynchron zu fertigen. Man muss also die Mengen, die man plant zu verkaufen, teilweise schon Wochen oder gar Monate vor dem geplanten Absatz fertigen. Bei ungenauer Absatzplanung können aber Absätze wegen fehlenden Materials nicht realisiert werden und andere Materialien verbleiben als Ladenhüter im Lager.

Methoden- und Tool-Kompetenzen sind hierfür gefragt. Beim Lampenhersteller beispielsweise wurde eine erweiterte ABC-Analyse durchgeführt. Also eine Klassifizierung des vollständigen Artikelsortiments nach
•    ABC - wirtschaftliche Bedeutung,
•    XYZ -Regelmäßigkeit des Verbrauchs,
•    STU - Anzahl Kunden pro Artikel sowie
•    ELA -Lebenszyklus

Diese Klassifizierungsmerkmale sind wichtige Größen für die Entscheidung, welche Planungs- und Dispositionsparameter für welchen Artikel eingestellt werden sollten. Zudem wurde ein Regelwerk erstellt, das genau festlegt, welche Artikelklassen wie zu planen und zu disponieren sind. Mit solchen grundlegenden Analysen kann man schon schnell bestehende Bestände sinken lassen und gleichzeitig die Lieferbereitschaft steigern.

Aber all solche Analysen und daraus abzuleitende Maßnahmen reichen nicht aus, wenn Disponenten beispielsweise nicht auch mit einer passenden Software unterstützt werden. So mussten bei einem Armaturenhersteller etwa die Melde- und Sicherheitsbestände ohne Systemunterstützung durch das ERP ermittelt werden. Insbesondere bei den Sicherheitsbeständen fiel auf, dass sie je nach Zuständigkeit auf verschiedene Arten berechnet wurden oder aber lediglich aus Erfahrungswerten resultierten. In der Disposition von Kaufteilen wurde nicht bedarfsbezogen auf Bestellbedarf geprüft, sondern einmal pro Woche.

Der Gesamtprozess an dieser Stelle war also trotz ERP-System stark manuell geprägt, sehr aufwändig und damit auch trotz größter Sorgfalt fehleranfällig. Um die gesamten „Big Data“ aus der Supply Chain 4.0 überhaupt nutzen zu können, müssen viele Serien- und Variantenfertiger überhaupt erst einmal die Dispositions-Prozesse vor dem Fertigwarenlager oder der letzten Fertigungsmaschine vor der Verpackung hinreichend durchstrukturieren und dispositiv optimieren. Und das ist kein triviales Unterfangen.

Komplexe Materie

Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Wirt.-Ing. Götz Andreas Kemmner ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Abels & Kemmner GmbH; Quelle: SCT GmbH

Wie komplex die Disposition ist, kann man schon alleine an der Anzahl der erforderlichen Stammdaten erkennen: Je nach Zuschnitt des Artikels hat man sich um bis zu 130 logistische Parameter zu kümmern. Stellt man sich diese als mathematische Gleichung vor, ist schnell zu verstehen, dass man diese nicht im Kopf rechnen kann.

Große Fehler werden aber gemacht, wenn man einzelne Parameter der Einfachheit halber zusammenfasst. Beispielsweise Sicherheitsbestände für die schwankende Nachfrage, Sicherheitsbestände für schwankende Fertigungszeiten und Sicherheitsbestände für schwankende Lieferzeiten der Vorlieferanten in einem gemeinsamen Sicherheitswert abbildet. Kumuliert kann das nur zu mehr Bestand führen. Aus stark oszillierenden Graphen mit vielen unterschiedlichen Spitzen werden so Kurven, bis man letztlich zu einer „glatten“ Prognose kommt, die aber nur die Probleme zukleistert und am Ende viel Geld kostet. Eine optimale Disposition braucht also auch entsprechend differenzierende Werkzeuge.

In den meisten Unternehmen existiert für Dispositionszwecke bereits ein passendes Software-Tool: das bestehende ERP-System bzw. entsprechende Erweiterungen. Allerdings haben ERP-Systeme originär andere Aufgaben, so dass die Möglichkeiten zur Bedarfsprognose und Disposition zumeist sehr beschränkt und diese Funktionalitäten nicht ausreichend differenziert sind. So sind beispielsweise Automatismen zur kontinuierlichen Optimierung der Dispo-Parameter praktisch nicht vorhanden.

Hinzu kommt, dass quasi alle bekannten ERP-Systeme ausschließlich mit statistischen Verfahren arbeiten, die eine „normalverteilte“ Nachfrage unterstellen, wie zum Beispiel Mittelwertverfahren oder exponentielle Glättung. Doch in der Praxis ist eine normalverteilte Nachfrage praktisch nie anzutreffen. Vielmehr unterliegt die Nachfrage ständigen saisonalen, konjunkturellen oder anderen Schwankungen. Die Konsequenz: Berechnungen unter Annahme einer normalverteilten Nachfrage führen zu systematisch falschen Bedarfsprognosen und Bestandsfehlern von bis zu 40 Prozent.

Bleibt also festzuhalten, dass man Prognose- und Dispositionsaufgaben zwar mit einem ERP-System erledigen kann. Das Ergebnis liegt aber zumeist weit vom Optimum entfernt. Um dies zu erreichen, benötigen Disponenten Advanced Planning and Scheduling Software oder kurz: APS-Software.

Solche Präzisionswerkzeuge für Spezialisten, wie beispielsweise DISKOVER SCO von SCT, sind zumeist viel genauer auf die Dispositionsaufgaben zugeschnitten als generalistische ERP-Systeme und bieten zur verbesserten Planung beispielsweise viel feinere, Reichweiten-orientierte Prognose-Funktionalitäten und können so den tatsächlichen Bedarf bedeutend genauer vorhersagen.

Für die „Generalisten“ – also die ERP-Anbieter – ist dieser Spezialmarkt kaum interessant, da hier sehr tiefes und spezifisches Fachwissen gefragt ist. Dennoch besteht ein hoher Handlungsbedarf, da Unternehmen mit variantenreichem Portfolio regelmäßig hunderttausende Euro an gelagertem Material und damit totem Kapital einsparen können. Wichtiges Kapital, das man in Lösungen für die Supply Chain 4.0 durchaus investieren kann.

APS Software eignet sich übrigens in der Regel für Unternehmen ab einem Umsatzvolumen von rund 10 Millionen Euro. Weitere Einschränkungen für DIY-Zulieferer gibt es im Grunde nicht, wobei das Sortiment selbst eine gewisse Komplexität umfassen sollte. Passende Branchen reichen demnach von A wie Armaturen über Badzubehör, Beschläge und Eisenwaren sowie Elektrozubehör, Kleineisenwaren, Leuchten, Werkzeuge bis hin zu Z wie Zaunbauelemente. Dass die Einführung eines solchen Systems einer gewissen Vorbereitung bedarf, sollte jedem Anwender klar sein. (rhh)

Autoren:
Andreas Capellmann ist Geschäftsführer der auf Supply-Chain-Optimierung spezialisierten SCT GmbH aus Herzogenrath bei Aachen.
Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Wirt.-Ing. Götz Andreas Kemmner ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Abels & Kemmner GmbH, Herzogenrath/Aachen. Seit dem 12.06.2012 ist er Ehrenprofessor an der Westsächsischen Hochschule Zwickau.