Software und Strategien für den erfolgreichen Mittelstand

Rechnungswesen-Spezialisten plädieren für die Expertenlösung

„Best of Breed“ – aber ohne doppelten Aufwand

Elke Nürk
Elke Nürk, Geschäftsleitung Portolan Commerce Solutions

Finanzbuchhaltung in eine bestehende ERP-Software zu integrieren – dieser Weg erweist sich vielfach als empfehlenswert. Experten der Hersteller von Rechnungswesen-Software führen gegenüber S4B die wichtigsten Vorteile auf. Vor allem das Vermeiden von doppelten Datenbeständen und der Zugriff in Echtzeit auf die konsistenten Informationsstände gelten als wichtige Kriterien.

 

Kompetenzverteilung

Dirk Dautzenberg
Dirk Dautzenberg, Manager Consulting, VEDA

„ERP-Systeme haben den Schwerpunkt der Expertise im Kontext ERP, die Kompetenz im Umfeld Finance und Accounting wird meist von Spezialisten, wie VEDA, ergänzt“, so kennzeichnet Dirk Dautzenberg, Manager Consulting bei VEDA die Ausgangssituation. „Doch dabei muss ein konsistenter Datenbestand in beiden Systemen erreicht werden, und es soll kein doppelter, manueller Aufwand für die Stammdatenpflege und das Buchen der Rechnungsein- und ausgänge entstehen.“

„Auch bei uns gilt der Ansatz ,Für jeden Teilbereich der Unternehmenssoftware nur das Beste‘“, so Michael Mors, Managing Director Unit4 Business Software GmbH. „Mit Coda-Financials verfolgen wir einen ‚best-of-class‘- Ansatz. Standardlösungen sind nicht so gut in der Lage, besondere Anforderungen kompromisslos abzubilden, wie eine hoch spezialisierte Software.“

Ähnlich sieht es auch Arne Claßen. Der Geschäftsführer der K+H Software ist überzeugt: „Gerade wenn es um die Finanzen geht, entscheiden sich viele Firmen für Lösungen, die eine hohe Funktionalität bereitstellen. Diese Best-of-Breed Lösungen stellen in der Regel mehr und zielorientiertere Auswertungsmöglichkeiten bereit, oder aber wiederkehrende Tätigkeiten werden automatisiert.“ Das mache das Arbeiten einfacher, schneller und somit die Unternehmensentscheidungen fundierter. „Gerade im Bereich Rechnungswesen verlangen gesetzliche Neuregelungen und internationale Softwareversionen einen relativ hohen Pflegeaufwand vom ERP-Anbieter“, fügt Claßen hinzu. „Die Integration von Spezialistentum scheint dann die beste Variante. Trotzdem schaffen wir mit unserer Software eine perfekte Prozessintegration in ein ERP-System.“

„Ein ERP, ohne Anbindung an eine Finanzbuchhaltung oder Kostenrechnung – Fibu/Kore – ist heute genauso undenkbar, wie eine Fibu/Kore, die ‚standalone‘ steht“, ist Elke Nürk überzeugt. Das Mitglied der Geschäftsleitung der Portolan Commerce Solutions stellt heraus: „Das ERP benötigt die Anbindung an die Finanzbuchhaltung, da bestimmte Daten aus der Fibu, bei Vorgängen oder Prozessschritten mit dem ERP zu harmonisieren sind. Dazu ein Beispiel: Im ERP werden zum Beispiel Kontenfindung, Kostenstellenzuweisungen vorgenommen. Die dazu nötigen Daten, wie Sachkonten oder Kostenstellen sollten auf die Stammdaten der Finanzbuchhaltung referenzieren.“

Maßgeschneiderte Lösungen im Einsatz

Grundsätzlich sei zu sagen, dass im Mittelstand viele Standard-ERP-Systeme im Einsatz sind, die oftmals so modifiziert wurden, dass der Kunde eine perfekte maßgeschneiderte Lösung hat, so Nürk. „Zudem gibt es viele Firmen, die individuell programmierte ERP-Lösungen im Einsatz haben. Die Prozesse in diesen Firmen sind optimal abgebildet und das System läuft sicher und zuverlässig. Ein Wechsel ist vielfach nicht geplant oder nur mit sehr hohem Kostenaufwand möglich“, erklärt Nürk. Bei der Finanzbuchhaltung verhalte es sich anders. Hier gebe es immer wieder gesetzliche Anforderungen, die umgesetzt werden müssen. Dies gelte für Anforderungen in Deutschland genauso wie für die unterschiedlichsten Landesversionen.

„Ebenso erleichtert eine moderne Oberfläche, eine Web-Anbindung und die Office-Integration das tägliche Arbeiten in der Buchhaltung und spart den Anwendern Zeit und Geld“, ist Nürk sicher. „Bei der Kostenrechnung kann ein hochintegriertes System auch Schwächen des ERP-Systems ausgleichen und so einen großen Mehrwert bringen.“ Ein Beispiel dazu wäre ein flexibles Kalkulationsmodul, das neben der Berücksichtigung von verschiedenen Zuschlagsätzen eine Sicht über die Artikel/ Auftragsgrenzen hinweg ermöglicht. Somit könnten zum Beispiel Auswertungen auf Produktgruppen, Bereiche und Kostenstellen gefahren werden. Zudem ermögliche eine flexible Deckungsbeitragsrechnung, in der Folge die Produktkosten und die allgemeinen Kosten der Verwaltung und des Vertriebs gesamthaft auszuwerten.

Bidirektionalität

Michael Mors
Michael Mors, Managing Director Unit4 Business Software GmbH

Beim Datenmodell muss der Informationsaustausch in beide Richtungen, also vom ERP-System zur Finanzbuchhaltung und umgekehrt, zeitnah erfolgen. Hier entsteht eine Herausforderung für die Hersteller der Rechnungswesen-Software, die sie unterschiedlich lösen. Für Arne Claßen wird alles über die Geschäftsprozesse geregelt: „Wenn ein Prozess, wie Vorkasse oder Liefersperre, beide Systeme betrifft, definiert der Workflow, welche Datenbewegungen weiterführende Schritte in vor- oder nachgelagerten Systemen anstoßen. Doppelte Datenerfassungen werden damit komplett vermieden.“

Prozesse stellen Synchronisation sicher

„Die Daten werden synchronisiert“, erklärt Michael Mors, Managing Director, Unit4 Business Software . „Dies wird durch entsprechende Schnittstellen und Prozesse sichergestellt, die vom und mit dem Kunden definiert werden. Technisch wird dies meist mit XMLi gelöst.“ Bei der CSS verweist Michael Friemel auf die Technik: „Wir setzen Web Services zum bidirektionalen zeitnahen Austausch der Informationen ein.“

„Die Integration wird grundsätzlich über Dialog- oder Batch-Verarbeitung vorgenommen“, erläutert Elke Nürk. „Bei der Dialogintegration werden Daten des führenden Systems dem korrespondierenden System zugewiesen. Damit kann gewährleistet werden, dass keine doppelten Stammdaten vorgehalten werden und somit Inkonsistenzen zwischen den Systemen entstehen.“ Als Lösungsansätze führt die Expertin von Portolan die API-Technologie und Trigger-Funktionalität ins Feld. „Bei den Transaktionsdaten ist eine Dialogschnittstelle nicht zwingend notwendig“, ist sich Nürk sicher. „Hier sind Batch-Verarbeitungen üblich. Unterschiedliche Mechanismen bei der Integration liegen hier in der Praxis vor – Push oder Pull. Eine Kennzeichnung der bereits übertragenen Transaktionsdaten – also ein Flagging – in eigens dafür vorgesehenen Feldern ist dabei unabdinglich.“

Realtime-Verhalten ist gefragt

Das Echtzeitverhalten steht für Dirk Dautzenberg im Vordergrund: „Damit die Stammdaten möglichst aktuell in beiden System zur Verfügung stehen, sollte hier ein Transfer in Realtime erfolgen. Im Projekt wird festgelegt, welches System für welche Daten das Führende ist. Über Berechtigungen wird gesteuert, dass die Daten in der nachgelagerten Anwendung nicht geändert werden dürfen. Bei den Bewegungsdaten reicht es, wenn ein Austausch einmal täglich erfolgt. Dies geschieht am bestem im Tagesabschluss.“

Frage des führenden Systems ist zu klären

Generell erscheint eine Klärung wichtig: Welches der Systeme ist das führende, wenn in beiden Systemen Daten eingegeben werden und wie wird dann eine Synchronisation – möglichst in Echtzeit – ausgeführt? Hierzu lautet die Antwort von Nürk: „Die Festlegung, welches System welche Daten als ‚hoheitlich‘ versteht, bedarf einer eingehenden ‚Diskussion‘ zwischen den sich integrierenden Systemen. Denn vielfach sind Datentöpfe in beiden Systemen zu finden – etwa nach dem Motto: Lieferant versus Kreditor.“ Zu den Daten der Fibu/Kore zählt sie Konten (Sachkonten), Kostenstellen und Projekte. „Die Neuanlage von Kostenträger wiederum kann beispielsweise durch die Freigabe eines Fertigungsauftrags im ERP veranlasst sein. Personenkonten – Debitoren und Kreditoren – stehen selbstverständlich im unmittelbaren Zusammenhang mit der Neuanlage und dem Update von Kunden- und Lieferantenstammdaten im ERP.“

Als weitere synchronisationsrelevante Daten seien für das Unternehmen die Kriterien der Organisationstruktur (wie Firma, Werk, Geschäftsbereich und Sparte), die im Rahmen der Integration der rechtlich selbständigen Einheit des Rechnungswesens zuzuweisen sind. „Weiterhin müssen auch Ländercodes, Sprachcodes, Währungen und ihre Kurse synchronisiert werden“, gibt Nürk zu Protokoll. „Im Optimalfall sieht das jeweils nachgelagerte Modul für die Stammdaten dann nur Anzeigefunktionalität vor.“

 

Kunden und Lieferanten

Arne Claßen
Arne Claßen, Geschäftsführer K+H Software

Für Dirk Dautzenberg liegen die Dinge klar: „Die Daten zum Kunden- und Lieferantenstamm liegen in der Hoheit des ERP-Systems. Die Daten für den OP-Bestand – die offenen Posten-, Salden, Kreditlimits, Sachkontenstamm und Kostenstellen/-trägern liegen in der Verantwortung des FIBU-Systems.“ Der VEDA-Manager weist darauf hin, dass über Serverprogramme die Neuanlagen beziehungsweise die Änderungen dieser Daten direkt automatisch aus dem ERP in die FIBU-Datenbank übernommen werden.

„Umgekehrt erfolgt ein direkter Zugriff über Serverprogramm auf den OP-Bestand und auf das Kreditlimit aus der FIBU bei Auftragserfassung aus dem ERP zur Kreditlimit-Überwachung.“ Die Plausibilitätsprüfungen aus dem ERP heraus erfolgen, so Dautzenberg, für Sachkonten mittels Serverprogrammen der FIBU, Plausibilitätsprüfungen aus dem ERP für Kostenstellen oder Kostenträger dagegen mittels Serverprogrammen der Kostenrechnung.

Kunde trifft die Entscheidung

Für Michael Mors liegt die Entscheidung in erster Linie beim Kunden, welches System er als führendes System haben möchte: „Dass Daten doppelt eingegeben werden müssen, ist aus unserer Sicht nicht mehr zeitgemäß und wird auch nicht gemacht. Das heißt, die Daten synchronisieren sich in Echtzeit. Und das ist durch die Prozesse des Kunden gegeben.“ Ähnlich argumentiert auch Arne Claßen: „Die Datenhoheit wird ebenfalls über den Geschäftsprozess definiert.“

Die Frage nach dem führenden System sieht auch Michael Friemel von Fall zu Fall anders: „Je nach Aufgabe kann einmal dieses oder das andere System führend sein. Kundendaten kommen in der Regel vom Vertrieb. Buchhalterische Daten werden dann in der Finanzbuchhaltung ergänzt.“ Das löse bei CSS der eGecko Workflow sicher und zeitnah. „Daten wie Kreditrahmen oder finanzielle Hintergründe werden wieder an den Produktplanungs- oder Warenwirtschaftsteil übergeben, ebenso Daten aus der Kostenrechnung, etc. Das entscheidet der Kunde und bekommt dann über einen internen Workflow die Aufgabenstellung zur eventuellen Ergänzung der Daten in die To-Dos eingestellt.“

Korrekte Abbildung von 1:n-Beziehungen

Wenn zum Beispiel ein Vorgang im ERP-System mehrere Aktionen – Buchungen – in der Finanzbuchhaltung nach sich zieht, ist eine Lösung nötig. Sie erweist sich als abhängig von der Komplexität und Vollständigkeit der Schnittstellen zwischen den Systemen. „Falls die Schnittstellen des ERP diese Buchungen nicht leisten können, werden Tabellen für zusätzliche Kontierungsregeln erstellt“, erklärt Dirk Dautzenberg. „Im Zuge des Imports der Schnittstellen in die FIBU werden hieraus dann die fehlenden Buchungen erzeugt.“

In dieselbe Richtung argumentiert auch Michael Mors: „Technisch durch XMLi, nur hier sind Mehrfachbuchungen in einem Rutsch möglich. Alternativ können spezifische Workflows angelegt und umgesetzt werden.“ „Bei Buchungen werden die Split- Buchungen des Beleges immer auf Soll-Haben-Gleichheit geprüft“, erklärt Arne Claßen. „Die Beträge können dennoch auf mehrere Profit Center, Kostenstellen, Kostenträger oder auch Projekte verteilt werden.“

Varianten für die Datenübergabe

„Die Basis für die Sicherstellung der ordentlichen Übergabe der ERP-Vorgänge in ein oder mehrere Rechnungswesen Module sollte eine zentrale Datei sein, in der die übergaberelevanten Vorgänge abgestellt werden“, stellt Elke Nürk fest. „Beispielsweise wird hier eine Ausgangsrechnung abgestellt, die dann auf Sachkontenebene verdichtet in die Finanzbuchhaltung und detaillierter – zum Beispiel auf Teile- oder Artikelebene – in die Deckungsbeitragsrechnung übergeben wird.“ Durch diese Konzeption sei gewährleistet, dass die Werte in allen Modulen des Rechnungswesens identisch sind, da sie auf dem gleichen Ausgangsvorgang basieren. „Eine Doppelübergabe wird durch Übernahmekennzeichen in der Ausgangsdatei vermieden“, lautet das Resümee der Portolan-Spezialistin. „Abhängig vom Integrationskonzept kann die zentrale Integrationsdatei im ERP- oder im Rechnungswesen-Bereich gehalten werden.“

Rainer Huttenloher