Software und Strategien für den erfolgreichen Mittelstand

Werner Schmid, GPS zu Auswahl‑, Plattform- und Integrationsfragen bei ERP-Systemen

„Anforderungen klar formulieren führt zu präzisen Antworten“

Erläutert die Kriterien für die Auswahl von ERP-Systemen. GPS-Experte Werner Schmid. Quelle: GPS

Wie wählt man ein passendes ERP-System richtig aus? Welche Vorteile sind von ERP-Systemen zu erwarten, die in Form von „Software as a Service“ (SaaS) bezogen werden, und wie eng sollen Module wie E‑Commerce und das Rechnungswesen in ERP-Systeme integriert sein? Antworten auf diese Fragen gab Werner Schmid, langjähriger ERP-Experte aus dem Haus GPS, im Gespräch mit S4B.

Reale Vergleiche

Wer heute vor der Auswahl eines ERP-Systems steht, der sollte den Nutzen von „vorbereitenden Aktionen“ erst hinterfragen. Wer etwas kaufen will, geht üblicherweise auf den Markt oder in eine Shopping Mall und vergleicht erst einmal. Er kann das auch im Internet erledigen, doch das ist das Gleiche „ohne Hardware“. „Bei der Auswahl eines EPR-Systems, das später einmal das Nervenzentrum eines Unternehmens sein soll, ist das nicht so“, gibt Werner Schmid zu bedenken.

Der ERP-Experte der GPS ist sich sicher, dass die Vergleichbarkeit fehlt: „Jeder Anbieter stellt sein Produkt nur mit der Sonnenseite dar – die Schattenseite sieht man zunächst nicht.“ Daher sind unabhängige Vergleiche eine wichtige Informationsquelle. Zum Beispiel hatte die GPS im letzten Jahr wieder den Live Vergleich auf der IT & Business ausgerichtet: „Wir stellten an den drei Messetagen die ERP-Systeme ins Rampenlicht und lassen sie auf einem vorgezeichneten Catwalk, dem „Fahrplan“, einen aktuellen Geschäftsprozess durchlaufen. Dabei wurden Licht- und Schattenseiten sichtbar“, betont Schmid.

Ein Beispiel dazu ist auf Youtube im Kanal zur IT & Business zu sehen. Da ist der Vergleich der Systeme von SAP (dargestellt von itelligence) mit Infor zu sehen. Andere Vergleiche aus dem Vorjahr sind ebenfalls noch auf der Plattform zu finden.

„Wir haben die Erfahrung gemacht – und wir führen solche ERP-Vergleiche, auch öffentlich ausgetragene, schon seit 2003 durch – dass die Anbieter gerne solche präzisen Vorgaben für die Präsentation mit ihren Systemen abbilden. Das ist ihnen lieber, als so unverbindliche Anforderungen nach dem Motto, ‚Nun zeigen sie mal was sie drauf haben‘“.

SaaS und ERP

Digitale Systeme wie ERP-Systeme haben nach Einschätzung von Schmid keine Grauzone: „Die Anwender müssen lernen – und lernen heißt hier vor allem lernen, ihre Anforderungen zu präzisieren.“ Daher will die GPS auch auf der kommenden IT & Business (vom 24. bis zum 26. September 2013) zeigen, dass auf präzise Anforderungen, auch präzise Antworten folgen – entweder ein System kann eine Funktion ausführen oder nicht.

Flexibilität bei SaaS-ERP

Ein weiterer Punkt ist der Integrationsaufwand und der Flexibilität bei ERP-Systemen, die auf der Basis von SaaS bereitgestellt werden. „Ein SaaSERP- System, wie zum Beispiel Plex Online, ist nichts anderes als ein ERP-System, das in einem Service-Rechenzentrum läuft. Jedes moderne ERP-System ist heute über das Internet und einen Browser nutzbar“, verdeutlicht Schmid. „Ganz gleich, wo sie sich befinden, sie melden sich am System an und können ‚wie zuhause‘ arbeiten.“

Die Vorteile von SaaS sieht der Experte an ganz anderer Stelle: „SaaS punktet mit anderen Features – sie können das System innerhalb der definierten Funktionen selbst konfigurieren. Die Frage ist dann, wer kann denn das? Man kann auch Excel-Funktionalität in Form von SaaS bei Google nutzen. Das ist im Prinzip dasselbe wie der Einsatz von SaaS-ERP, nur wesentlich einfacher. Um ein ERP-System auf ein Unternehmen einzustellen – also zu ‚customizen‘ – müssen einige Hundert Tabellen mit Steuerdaten und Parametern eingerichtet werden. Das ist ein größeres Projekt.“

Integrationsfragen

ERP-Systeme sollten zudem eine Integration von anderen Modulen, wie etwa E‑Commerce-/Shop-Systeme unterstützen. Hier sieht Schmid eine Herausforderung aufziehen: „Die Anwender verlangen immer mehr die Integration des E‑Business in die ERP-Systeme. Das ist verständlich, denn ein zunehmender Teil des Geschäfts verlagert sich ins Internet“, skizziert er die Ausgangssituation.

„Von ihrer Konstruktion her sind ERP-Systeme eher introvertiert, das heißt sie steuern die Prozesse innerhalb eines Unternehmens. Und Voraussetzung dafür ist, dass es für alles einen ‚Stammsatz‘ gibt, also für jeden Kunden, jeden Artikel, jeden Lagerplatz usw.“ Das E‑Business finde, so Schmid, außerhalb eines Unternehmens statt, sozusagen auf dem freien Markt. Jeder könne daran teilhaben, auch wenn er nicht Kunde oder gar „Stammkunde“ eines Unternehmens ist, sondern sich gegebenenfalls nur einmal für ein Produkt interessiert: „E-Business ist volatil, praktisch das Gegenteil von stabil“, charakterisiert Schmid das Umfeld.

E-Business und die Geschäftsprozesse

Um E‑Business, wie zum Beispiel einen Webshop an ein ERP-System zu koppeln, müsse man in den meisten Fällen die Geschäftsprozesse neu definieren. Das beginne bei der Shop-gerechten Aufbereitung des Produktangebots und reicht bis zu den E‑Business-Zahlungskonditionen, zum Beispiel über einen Payment Service. „ERP-Systeme können weder mit Kreditkarten umgehen noch mit einem Paypal-Account. Hier müssen die ERP-System-Hersteller noch viel lernen, wie das geht. Von einer Integration des E‑Business in ERP-Systeme sind alle noch sehr weit entfernt“, schätzt Schmid den Status Quo ein. 

Weitaus enger als E‑Commerce ist das Zusammenspiel der Finanzwirtschafts-Software mit den ERP-Systemen. Hier nimmt Schmid eine klare Position ein: „Ein ‚echtes‘ ERP-System hat eine integrierte und eben keine ‚angeschraubte‘ Buchhaltung. Das ist für mich das Kriterium, um ERP-System von PPS- oder Warenwirtschaftssystemen zu unterscheiden. Zu den Ressourcen eines Unternehmens – das ist das „R“ in ERP – gehört nun einmal auch das Kapital, das eingesetzte Betriebsvermögen und die damit erzielte Wertschöpfung.“ Wer die Finanzbuchhaltung vom Betriebsgeschehen trennt, so Schmid, oder seine Buchhaltung gar nach extern zu einem Steuerberater verlagert, schneide sich – bildlich gesprochen – ein Auge aus: „Jede Ware hat einen Wert und jeder Handgriff erzeugt Wertschöpfung. Wer das nicht synoptisch, also Ware und Wert betrachtet, kann sein Unternehmen nur sehr eingeschränkt steuern.“