Software und Strategien für den erfolgreichen Mittelstand

ERP-Software aus der Cloud

Eignung hängt nicht von der Branche ab

Jörg Jung, Quelle: UNIT4 Business Software

Verglichen mit anderen Sparten von Unternehmenssoftware wie etwa CRM-Systemen tut sich der ERP-Einsatz aus der Cloud – meist als Software as a Service (SaaS) – immer noch recht schwer in Deutschland. Doch bei einer gewissen Affinität der Unternehmen zum Cloud-Modell wächst das Pflänzchen „ERP aus der Cloud“ ganz annehmbar. Daher stellt sich die Frage: Für welche Branchen eignet sich derzeit schon der Bezug aus der Cloud bei ERP-Software? Auf diese Frage gaben Experten von ERP-Herstellern ihre Antworten.

Dabei hat sich gezeigt, dass es in erster Linie nicht um die einzelnen Branchen geht, aus denen die Anwenderunternehmen stammen. Wichtiger ist es, die nötigen Geschäftsprozesse abzudecken und grundlegende Faktoren – wie geringe Investitionen oder die Dezentralität des Business – zu berücksichtigen.

Branchenunabhängigkeit

Jan Friedrich, Quelle: Sage Software
Henk Vluggen, Quelle: Exact Software
Frank Naujoks, Quelle: Microsoft

Verglichen mit anderen Sparten von Unternehmenssoftware wie etwa CRM-Systemen tut sich der ERP-Einsatz aus der Cloud – meist als Software as a Service (SaaS) – immer noch recht schwer in Deutschland. Doch bei einer gewissen Affinität der Unternehmen zum Cloud-Modell wächst das Pflänzchen „ERP aus der Cloud“ ganz annehmbar.

„Zur Frage nach der passenden Branche für ERP aus der Cloud gibt es aus unserer Sicht keine Einschränkung“, gibt Jörg Jung, Geschäftsführer UNIT4 Business Software, zu Protokoll. „Insbesondere für unsere fokussierten Branchen wie Dienstleistungsbranche, Public Sektor, Hochschulbereich und Non Profit eignet sich der Bezug von ERP-Software aus der Cloud gleichermaßen. Die Branche Dienstleister hat – anders als zum Beispiel Produktionsbetriebe – insgesamt noch weniger ERP-Systeme installiert. Das liegt unter anderem daran, dass die IT-Leiter in der Dienstleistungsbranche nicht die zentrale Rolle haben wie in anderen Branchen. Die entscheidenden Mitarbeiter bei einem Dienstleister sind die Projektleiter, und die wollen die IT möglichst schnell, unkompliziert und bedarfsbezogen beziehen.“

„Nach unserer Ansicht ist es keine Frage der Branche, ob eine Cloud-Lösung sinnvoll ist. Vielmehr muss der durch eine Cloud-Lösung umzusetzende, spezifische Unternehmensprozesses betrachtet werden. Denn jede Branche hat bestimmte Prozesse, wie etwa die Warenwirtschaft, das Rechnungswesen, das Kundenmanagement (CRM) oder Lohnabrechnungs- und Personalwirtschafts- oder eCommerce-Prozesse, die sinnvoll in der Cloud umgesetzt werden können,“ führt Jan Friedrich aus. Der Projektleiter Cloud Services im Geschäftsbereich „Kleine und mittlere Unternehmen“ der Sage Software GmbH stellt heraus, dass deswegen Sage nahezu alle seine On-Premise-Lösungen für KMU auch als Cloud-Lösungen anbietet. – von ERP über Personalwirtschaft und Lohnabrechnung bis eCommerce. „Alle Lösungen können sowohl als On Premise wie On Demand oder in Teilen als hybride Lösung verwendet werden“, so Friedrich weiter. „Und auch mobile Applikationen spielen hierbei eine große Rolle und eine Vielzahl unserer Lösungen setzen auf native Apps für diverse Anwendungen.“

„Im Prinzip eignen sich alle Branchen für ERP aus der Cloud“, lautet die Aussage von Henk Vluggen. Er verantwortet als Principal Presales bei Exact Software die ERP-Systemeinführungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „In der Praxis sieht man jedoch, dass jetzt vor allem kleinere Firmen, Dienstleister, Hightech-Unternehmen und ‚lean data‘-Firmen zu den ‚early adopters‘ gehören.

Frank Naujoks, Product Marketing Manager bei Microsoft und für Dynamics AX zuständig, charakterisiert dagegen passende Einsatzbereiche in Abhängigkeit von der Unternehmensstruktur: „ERP-Cloud-Lösungen sind eine Alternative für Unternehmen, die überdurchschnittlich wachsen, in einem dynamischen Marktumfeld tätig sind und tendenziell eher Dienstleistungs-Workloads haben. Auch branchenunabhängige Funktionalitäten wie HR oder Zoll eignen sich gut.“ Er sieht dagegen weniger Cloud-Affinität bei Firmen, die beispielsweise Produktionsprozesse in der Lösung abbilden wollen.

Geschäftsprozesse

Dirk Stadtherr, Quelle: Kaba
Vohl, Quelle: BSH IT Solutions

In dasselbe Horn – allerdings mehr aus dem Blickwinkel der Oracle-Lösung – stößt Dirk Thomas Wagner, bei Oracle für ERP Cloud in den Regionen Deutschland/Schweiz zuständig: „Oracle Fusion ERP eignet sich hervorragend für serviceorientierte Unternehmen. Der Fertigungsbereich kommt mit späteren Releases hinzu.“

Das Thema „Abbildung der Geschäftsprozesse“ in den Unternehmen steht für Markus Klahn (verantwortet innerhalb der Proalpha-Geschäftsleitung den Bereich Vertrieb) im Vordergrund: „Aktuell eignen sich Cloud Lösungen sehr gut für Branchen oder Kundengruppen mit nahezu gleichen Geschäftsprozessen. In diesen Bereichen skaliert eine Cloud-Lösung. Kunden mit komplexen und individuellen Prozessen und Kunden mit Schnittstellen zu Subsystemen sind – Stand heute – aus der Cloud nicht optimal zu bedienen.“

Dirk Stadtherr, Product Manager Workforce Management bei Kaba, sieht keine Einschränkungen auf bestimmte Branchen, wenn es um die Art des ERP-Einsatzes geht: „Prinzipiell eignet sich ERP aus der Cloud für alle, da sich auch viele kleinere Anbieter diesem Thema schon angenommen haben und auch für kleinste und kleine Unternehmen passende Lösungen anbieten. Das Thema Datensicherheit muss allerdings jeder Anwender für sich selbst entscheiden.“

„Allgeier bietet mit seinen Rechenzentren eine komplette Arbeitsumgebung inklusive der laufenden ERP-Software aus einer Private Cloud“, erklärt Sascha Vohl. Der Prokurist bei der BSH IT Solutions, einer 100-prozentigen Tochter des Bremer IT-Unternehmens Allgeier IT Solutions, verantwortet den Gesamtbereich Infrastructure Solutions & Dienstleistungen. „Unsere ERP-Software wird vorrangig im Mittelstand branchenübergreifend eingesetzt. Die Html- und SOA-basierte Programmierung gestattet einen Softwareeinsatz bei der Produktion von Gütern, dem Handel mit Waren sowie der Erbringung von Dienstleistungen.“

Einstellungssache

Bern Bätz, Quelle: FIS-ASP Application Service Providing und IT-Outsourcing
Dan Matthews, Quelle: IFS World Operations
Andreas Anand, Quelle: Infor

Weniger die Branche als vielmehr die Einstellung des betreffenden Unternehmens macht für Comarch den Unterschied. Philipp Erdkönig, Department Director Business Development Center DACH, Comarch S.A., führt aus: „Viel mehr als die Cloud-Eignung der Software, die im Falle von Comarch ERP für alle Zielbranchen gegeben ist, erweist sich die Einstellung der Branche bzw. des einzelnen Unternehmens gegenüber Cloud Computing als der entscheidende Punkt.“ Am besten eigne sich ERP aus der Cloud für Unternehmen, die zumindest Teile ihres Geschäfts online abwickeln, da hier das Vertrauen in die Technologie größer und die Hemmschwelle viel niedriger ist: „So wird der Sprung in die Cloud beispielsweise von Online-Händler als selbstverständlich angesehen.“

Auch Bernd Bätz, SAP Technical Consultant bei der FIS-ASP Application Service Providing und IT-Outsourcing GmbH, sieht vom Prinzip her für alle Branchen eine Eignung für ERP aus der Cloud. Doch er schränkt auch ein: „Wir stellen jedoch fest, dass gerade Unternehmen aus dem Finanzdienstleistungssektor mit ihren besonderen Anforderungen an die Datensicherheit ihre ERP-Systeme eher im eigenen Rechenzentrum hosten, als mit einem Service-Provider zusammenzuarbeiten.“

Allerdings ist Cloud ist nicht gleich Cloud – so die Einschätzung von Dan Matthews, CTO bei IFS World Operations: „Der Bezug aus der Cloud bei ERP-Software eignet sich für die meisten Branchen, allerdings gibt es hier teilweise unterschiedliche Anforderungen. Bei Energieversorgern, in der Verteidigungsindustrie und auch in Teilen der öffentlichen Verwaltung sind aus gesetzlichen Gründen bestimmte Daten innerhalb des Landes zu speichern. Die großen öffentlichen Clouds wie Amazon oder Azure kommen hier deshalb in aller Regel nicht in Frage. Gefragt sind stattdessen spezielle Clouds.“

Diese Aussage wird auch von Andreas Anand, Vice President Consulting Services EMEA bei Infor, untermauert: „Bisher galten vor allem branchenübergreifende Lösungen wie Expense Management oder Verwaltungssoftware als Cloud-geeignet. Infor zählt 2.000 Kunden weltweit mit rund 12 Millionen Benutzern in diesem Umfeld. Jetzt bieten wir zusätzlich speziell auf Industrien zugeschnittene Cloud-Lösungen an. Den Anfang machen die Infor CloudSuites für die Automobilindustrie, für das Hotelgewerbe und für die Luft- und Raumfahrt.“

Bei Stepahead sieht man eine Branche weit vorne, wenn es um ERP aus der Cloud geht: die Online-Händler. Ansonsten spielen eher branchenneutrale Kriterien eine wichtige Rolle, wie Unternehmen mit einem hohen „Mobilitätsanteil“ oder junge Unternehmen, die Investitionen in Hardware scheuen – und vor allem dezentral arbeitende Unternehmen.

Rainer Huttenloher