Software und Strategien für den erfolgreichen Mittelstand

Drei ERP-Systeme, das Internet der Dinge und Big Data

Taktische und operative Planung und Fertigungssteuerung

Industrie 4.0 gilt als das Herzstück der Zukunft im Fertigungsbereich. Quelle: MPDV

Als das Herzstück der technologischen Revolution in der Industrie – Industrie 4.0 – gelten die individualisierte Produktion und die Generierung von Produktionsdaten. Sie stammen aus der umfassenden Vernetzung – von Werkstück, bearbeitender Produktionsanlage und den Planungsabteilungen. Das Verhältnis von Produktionsdaten, Disposition und Fertigungssteuerung soll hier für kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) erläutert werden.

Planungsebenen

Unter Planung wird die gedankliche Vorbereitung zielgerichteter Entscheidungen verstanden (Wöhe). Die wichtigsten Merkmale der Planung sind der Planungsgegenstand, das Planungssubjekt, die Planungsdaten und der Planungszeitraum. Im Folgenden geht es um die beiden Merkmale Planungsgegenstand und Planungsdaten, wie sie dem Planungssubjekt zur Verfügung gestellt und von diesem zu Entscheidungszwecken mittels eines ERP-Systems analysiert und verwendet werden. Die Schwerpunkte liegen auf der taktischen und der operativen Planung. Während die taktische und operative Planung aus den Produktionsdaten in Echtzeit direkte Handlungsanweisungen ableiten kann, dreht sich die strategische Unternehmensplanung um langfristige Zeiträume über fünf bis zehn Jahre. Sie kann unter Umständen dennoch von den Produktionsdaten profitieren.

In der taktischen Planung ist das Ziel die Optimierung langfristig wirksamer Kapazitäten. Die Planungsgegenstände, die uns interessieren, sind die Struktur des Produktions- und Absatzprogramms sowie die Betriebsmittelkapazität. In der operativen Planung geht es um die Feinplanung auf der Basis gegebener Kapazitäten; Planungsgegenstände sind konkret  die Bestellmengen, Einzelaufträge, Maschinenbelegung und der Eigen- bzw. Fremdtransport. Interessant bei Industrie 4.0 ist die direkte Produktionsplanung via ERP nach Eingang eines Kundenauftrags in Echtzeit.

Betriebliche Entscheidungen werden, da sie auf teilweise unbekannten Erwartungen an inner- und außerbetriebliche Gegebenheiten oder Entwicklungen beruhen, meist unter Risiko getroffen. Um dieses Risiko zu minimieren, bietet sich die Technik des Operations Research an, da hier mit wissenschaftlich-mathematischen Methoden gearbeitet wird. Die Verfahren des Operations Research sind lineare und nichtlineare Optimierung, ganzzahlige und kombinatorische Optimierung, dynamische Optimierung, Graphentheorie und Netzplantechnik, Warteschlangentheorie sowie die Simulation. Operations Research stößt an seine Grenzen bei der Beschaffung der für sie relevanten Daten, und an diesem Punkt setzen wir mit dem Data Mining an.

Unter Enterprise Resource Planning (ERP) wird ein organisatorisches Konzept verstanden, auf dem Prozesse (Geschäftsprozesse) aufgebaut sind, die durch ERP-IT-Systeme unterstützt werden (nach W. Osterhage 2014, S. 3). Die Ziele von ERP sind die Verfügbarkeit von Ressourcen, die Liefertreue zum Kunden, die Flexibilität bei der Bedienung des Marktes und die Verringerung der Durchlaufzeiten mit der damit verbundenen Senkung der Kosten (Osterhage S. 5). Bei diesen Zielen kann die (überbetriebliche) Kommunikation in Echtzeit die Prozesse optimieren.

Ein ERP-System kann Schnittstellen zu CAD, Projektmanagementsystem (PMS), Innerbetrieblichem Transport (IBT), Lagervorrechner (LVR), Controlling, Finanzbuchhaltung, Customer Relationship Management (CRM), Qualitätssicherung und Instandhaltungsmanagementsystem (IMS) implementiert haben. Es ist zu klären, wo eine Big-Data-Analyse und -Strategie ansetzen kann.

In der Regel sind die Planungsebenen monatliche rollierende Grobplanung, wöchentliche rollierende Feinplanung und die Steuerung auf Tages- bzw. Schichtebene interessant. Diese Planungsebenen kommunizieren über Rückmeldemechanismen miteinander, um informationell auf dem gleichen Stand zu sein. Planungsgegenstände sind die Fertigwaren inklusive Varianten, Halbfertigwaren, Komponenten und Einzelteile. Sie können in Eigenfertigung erzeugt worden sein oder zugekauft. Weitere Gegenstände der Disposition sind Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe.

Grobplanung

Bei der Grobplanung auf Monatsebene werden Vorgaben über die zu produzierende Menge von Fertigprodukten pro Monat gemacht. Für diese Mengenplanung werden auf Basis von Algorithmen Prognosen herangezogen. Diese Prognosen werden errechnet aus Vergangenheitswerten, saisonalen Erwartungen und konkreten Bestellungen. Die Fertigproduktplanung beinhaltet die Planung von Eigenproduktion und Zukaufteilen. Rollierend wird diese Form der Planung genannt, weil sie zeitlich im Nahbereich sehr hohe Verbindlichkeit hat, diese aber bei weiteren Planungshorizonten abnimmt und daher ständig fortgeschrieben (rolliert) werden muss

Die Feinplanung bezieht sich auf Zeiträume von bis zu einer Woche. Hier gibt es die deterministische und die stochastische Planung. Bei deterministischer Planung werden Start- und Endtermin festgelegt. Dies ist heikel bei Störungen im Produktionsprozess. Vorzuziehen ist die stochastische Planung, bei der zum Beispiel nur der Endtermin für die entsprechende Liefermenge vorgegeben wird und die Reihenfolge nach Auslastung, Verfügbarkeiten usw. von den Verantwortlichen in der Produktion bestimmt wird. Die Steuerung bezieht sich auf Zeiträume von Stunden oder einem Tag In ihr werden zum Beispiel Vorgaben aus der Feinplanung umdisponiert, wenn Personal nicht verfügbar ist oder Terminverschiebungen durch Lieferanten oder Kapazitätsengpässe auftreten.

Vorlage für die Steuerung ist der Arbeitsplan. Er regelt die Belegung der konkreten Maschine, das zu verwendende Stanzwerkzeug, die Reihenfolge der Arbeitsgänge und deren Zeitvorgaben. Die Produktionsprogrammplanung macht Vorgaben für die zu produzierende Menge. Planungssubjekt ist die Arbeitsvorbereitung oder der Verantwortliche des Fertigungsbereichs. Ausführender ist der jeweilige Maschinenführer. Die Rückmeldefunktionen sind die Maschinendatenerfassung (MDE) und die Betriebsdatenerfassung (BDE). Der Leitstand nimmt die Aufgaben der betrieblichen Leitung und Disposition sowie der Steuerung wahr.

Informationslogistik

W. Osterhage verwendet den Begriff Informationslogistik zur Beschreibung der Informationsflüsse in einem Unternehmen. Logistik bezieht sich demnach nicht nur auf Materialflüsse, sondern ebenso auf die zugehörigen Informationen, um Planungsprozesse zu unterstützen oder überhaupt zu ermöglichen. Informationen sind dabei zeitkritisch, das heißt, ohne die richtigen Informationen zur richtigen Zeit kann ein Unternehmen nicht effizient arbeiten. Bei Industrie 4.0/Big Data werden die Informationen in Echtzeit zur Verfügung gestellt. Die Basis an Informationen wird durch die Stammdaten gebildet: Artikelstamm, Stücklisten und Arbeitspläne. Aus diesen Stammdaten bilden die einzelnen Abteilungen zum Beispiel Angebote, Arbeitspläne, Arbeitsplatzbeschreibungen, Verfügbarkeitsrechnungen, Produktionspläne usw.

Die Disposition braucht Informationen zur Bestandsführung, Inventur und Warenbewegungsanalyse. Die Abteilungen Beschaffung und Einkauf sind gleichfalls darauf angewiesen, ebenso die Fertigungssteuerung. Die Voraussetzungen für eine konsequente Disposition sind nach Osterhage planerische Vorgaben der übergeordneten Ebenen sowie Informationen über Material- und Kapazitätsverfügbarkeiten, Wiederbeschaffungs- und Durchlaufzeiten. Informationen, die während der ERP-Subprozesse generiert werden, zum Beispiel Betriebsdaten, Maschinendaten oder Daten aus Warenbewegungen, müssen zeitgerecht an die Systeme zurückgemeldet werden, um Transparenz für die planerischen Instanzen über das Geschehen in den ausführenden Abteilungen herzustellen. Hier könnte eine Big-Data-Strategie ansetzen.

Die Schwerpunkte in diesem Beitrag liegen auf der Fertigungssteuerung und der Disposition. Im Rahmen der Fertigungssteuerung geht es um die Unterpunkte Auftragsbearbeitung, Auftragseinplanung, Feinplanung und Steuerung. In der Produktion sind Teilefertigung, Baugruppenmontagen sowie Endmontagen relevant. Die Anstöße dazu kommen aus Bestellungen und Kundenaufträgen, Prognosen und verbrauchsgesteuerten Dispositionen. Der nächste Schritt ist die Auftragseinplanung. Dazu müssen Kapazitäten und Material als Ressourcen sichergestellt werden.

Die Kapazitäten wiederum sind in Mitarbeiter und Betriebsmittel gefasst. In der Feinplanung geht es um die konkrete Terminierung der Produktion. Es gibt die Vor- und die Rückwärtsterminierung, wobei in der Praxis beide Verfahren kombiniert werden, um alle Interessen zu berücksichtigen – sei es der Endtermin nach Kundenwunsch oder die Flexibilität in der Produktion. Konkrete Maßnahmen sind die belastungsorientierte Auftragseinplanung, die Alternativarbeitspläne sowie die Reihenfolgenoptimierung.

In der Steuerung wird die Feinplanung umgesetzt – meist durch den Leitstand. Die Instrumente dazu sind entweder im ERP-System integriert oder über Schnittstellen verfügbar. Konkret wird der Auftragsfortschritt verfolgt, das Geschehen in der Produktion simuliert, der Auftragsstatus verwaltet, zum Beispiel nach Start, Störung oder Fertigstellung des Auftrags, die Auslastung, Kostenstelle und Maschine angezeigt. Es werden Mengen und Termine überwacht, eine Rückmeldung von Fertigungsaufträgen wird durchgeführt, eine Schnittstelle zur Betriebsdatenerfassung (BDE) und zur Maschinendatenerfassung (MDE) ist vorhanden, die Liegezeiten und die Ausschussmenge sowie die Störzeiten werden erfasst, Fehlteile gemeldet sowie eine Einsteuerung von ungeplanten Fertigungsaufträgen vorgenommen.

Wolfgang Adis

ist als freier Autor tätig.

Quellenangabe:
-    Wöhe: Einführung in die allgemeine Betriebswirtschaftslehre
-    Osterhage, Wolfgang W.: ERP-Kompendium
-    Schöning, Harald: Data Mining und Analyse in: Bauernhansl, ten Hompel, Vogel-Heuser (Hrsg.): Industrie 4.0 in Produktion, Automatisierung und Logistik
-    Badach/Hoffmann: Technik der IP-Netze