Software und Strategien für den erfolgreichen Mittelstand

PreciTec hat das Gewatec-ERP mit CAQ, BDE/MDE und Fertigungsleitstand eingeführt

Business-Software aus einer Hand spart Ärger

Geschäftsführer Dirk Schwichtenberg; Quelle: Gewatec/Precitec

Der Dreh- und Frästeilespezialist PreciTec kam aufgrund seines starken Wachstums mit einer Fertigungssteuerung auf Basis von Office-Tools nicht mehr zurecht. Heute steuert das Start-up mit der Branchen-Komplettlösung für Präzisionsteile von Gewatec die Fertigungsabläufe und die Qualität. Dabei wird betriebswirtschaftliches Denken mit großer Transparenz im gesamten Unternehmen gefördert.

Ausgangssituation

PreciTec bietet auch Nachbearbeitungen wie Wärmebehandlung, Montierung von Baugruppen, Laser- oder Barcodebeschriftungen, etc. Im Bild: Laserbeschriftung eines Werkstücks; Quelle: Precitec

Die PreciTec GmbH in Lemgo fertigt mit 60 Mitarbeitern anspruchsvolle Präzisions-Dreh- und Frästeile für z.B. die Medizintechnik, die Luft- und Raumfahrt, den Industrie- und Maschinenbau, die Feinmechanik und Optik oder im Automotivebereich für Speziallösungen wie Sport- und Rennwagen. Begonnen hatte Firmengründer Dirk Schwichtenberg 2002 mit einem Mitarbeiter und zwei Maschinen in einer 200 qm großen Ecke einer Kunststoffspritzerei in Untermiete. Schritt für Schritt wurde die gesamte Halle belegt. Dann 2006 der Wechsel in eigene Produktionsräume und als 2010 wieder ‚alles aus den Nähten platzte‘ wurde schließlich das heutige Gebäude erworben.

Einer der Gründe für das rasante Wachstum war neben dem ausgeprägten Unternehmergeist des Gründers ohne Frage die Konzentration auf  Qualitätsteile und das ‚Besondere‘ (Unternehmensgrundsatz: ALLES... außer Norm!). Schwichtenberg: „Wir fertigen Teile aus (fast) jedem Werkstoff. Gerade auch im Luftfahrtbereich kommen regelmäßig neue Werkstoffe für Teile, die zwar immer leichter, andererseits aber höher belastbar sind und die wir trotzdem mit hoher Genauigkeit fertigen müssen. Mit jedem neuen Werkstoff wachsen wir und sind anschließend in unserem Know-how ein Stück weiter.“ Der Produktionsdienstleister verarbeitet Werkstoffe, wie z.B. Titan, Tantal, Wolfram oder besondere Werkzeug- und Edelstähle sowie auch Kunststoffe wie PEEK, PTFE oder POM. Zum umfassenden Angebot gehört auch die Konstruktion einer Produktlösung für den Kunden auf dem neuen 3D-CAD/CAM-System, „damit wir auch eine gute Grundlage für die Fertigung haben“. Darüber hinaus bietet das Unternehmen alle möglichen Nachbearbeitungen wie Wärmebehandlung, Montierung von Baugruppen, Laser- oder Barcodebeschriftungen, etc.

In der Werkhalle stehen 20 CNC-Dreh-/Fräsautomaten u.a. von Traub und Star mit bis zu 13 CNC-Achsen und einem Drehdurchmesser von 1 bis max. 66 mm beim neuesten CMZ-Dreh/Fräsautomat. „Den CMZ-Automat haben wir angeschafft, weil vor allem die Luftfahrtfirmen es nicht mehr akzeptierten, dass wir Teile mit großen Drehdurchmessern in der verlängerten Werkbank an Fremdfirmen vergaben. Wir standen damit vor der Entscheidung, dieses Produktspektrum abzulehnen oder die Möglichkeiten zu schaffen. Wir haben uns für den Weg der Expansion entschieden“, erläutert Dirk Schwichtenberg. Gearbeitet wird in zwei Schichten, drei Schichten seien im Moment nicht möglich, da das dafür notwendige qualifizierte Personal nicht so einfach regional zu beschaffen sei. Deshalb werden auch bereits seit 2008 Facharbeiter für den Eigenbedarf ausgebildet.

Schon früh wurde klar, dass eine effektive Erfassung, Auswertung und Steuerung der vielfältigen Informations- und Warenflüsse nur auf der Grundlage aussagekräftiger Zahlen möglich ist. Als 2006 die für diesen Zweck eingesetzten Officetools (Word, Excellisten, selbstprogrammierte Accessdatenbank) an ihre Grenzen stießen und zudem die Zertifizierungen für die Luft- und Raumfahrt- sowie die Medizintechnik anstanden, schauten sich die Verantwortlichen nach einer branchenspezifischen ERP/MES-Lösung um. „Die Zertifizierungen sind für uns wichtige Zugangsvoraussetzungen für diese Märkte und die Zertifizierungsanforderungen, wie z.B. die lückenlose Rückverfolgbarkeit im Schadensfall, lassen sich nur mit einem guten ERP erfüllen.“ Die Vision des Geschäftsführers war, ein möglichst alle Funktionen abbildendes, integriertes ERP/MES-System aus einer Hand. Damit habe man eine durchgehende Kommunikation auf einer einheitlichen Datenbasis, vermeide Zuständigkeitsdiskussionen bei Problemen zwischen verschiedenen Systemanbietern und habe bei Updates keine kostenintensiven Schnittstellenanpassungen zu bewältigen.

Die angestrebte durchgängige Komplettlösung war einer der Gründe für das ERP/MES-System für Präzisionsteilehersteller von Gewatec. Weiter ausschlaggebend waren neben der Empfehlung eines Maschinenbauers, der den Namen Gewatec erst ins Spiel gebracht hatte, speziell auch einzelne Module wie die Personalzeiterfassung (PZE), die ausgefeilte CAQ-Lösung, die Office-Schnittstelle und nicht zuletzt auch der Preis sowie die Skalierbarkeit des Systems, um bei künftigem Wachstum nicht das ERP wechseln zu müssen. Letzterer aufgrund des Wachstums im ersten 12-Jahreszyklus ein wichtiger Punkt bei PreciTec.

Anfangs nur Wachstum

Die Einführung erfolgte dann Anfang 2007 innerhalb eines Wochenendes. Die Datenübernahme war aufgrund der Office-Schnittstelle schnell und reibungslos. Installiert wurden im ersten Schritt die Module WinKalk (Kalkulation), GPPS (PPS), KapPlan (Kapzitätsplanung/Leitstandsystem), GRIPS (CAQ), Dokumentenverwaltung, Produktionsmittel-Management (PMS), die CNC-Programmübertragung (DNC) und die Personalzeiterfassung (PZE). Das BDE/MDE-Modul PROVIS wurde zusammen mit den von Gewatec selbst produzierten BDE/MDE-Funkterminals später eingeführt. „Größere Systemanpassungen waren nicht notwendig, da die Branchenlösung von Gewatec einen für Zerspaner optimalen Funktionsmix bereithält“, erklärt der Qualitätsmanagement-Beauftragte Torsten Fizia, „und wenn wir heute wirklich eine Erweiterung brauchen, dann wird sie von Gewatec in den Standard aufgenommen, sofern sie eine gewisse Allgemeingültigkeit für die Zerspanungsbranche hat. Auf die Art müssen wir keine Sonderlösung bauen.“ Das Entwerfen der eigenen Reports, Listen, Formulare oder Briefbögen wurde nach kurzer Einarbeitung von den PreciTec-Administratoren selbst erledigt. „Das ist für uns auch weiterhin bei Designänderungen oder –neuanlagen ein großer Vorteil, den andere so nicht anbieten.“ 

Da das ERP wenig IT-Ressourcen belegt, wurde es auf Arbeitsstationen im ganzen Unternehmen installiert, zurzeit auf ca. 25 PCs. Es bringe größeren Nutzen, wenn möglichst viele Mitarbeiter einfachen Zugang zum ERP haben. Die Regelung der Concurrent-Lizenzen sorgt dabei dafür, dass die Lizenzgebühren nicht ausufern. Concurrent-Lizenz bedeutet, dass der Kunde nur die Anzahl anschaffen muss, die maximal gleichzeitig genutzt wird, also z.B. 7 PPS-Lizenzen, auch wenn 15 installiert sind. Und da das ERP-System als ein Herzstück des Unternehmens angesehen wird, so Fizia, habe es jetzt einen eigenen Server bekommen. „Damit können Serverausfall oder andere externe Störungseinflüsse besser aufgefangen werden. Denn wenn das ERP steht, ist in der Fertigung erst mal Feierabend.“

Eine besonders wichtige Komponente im Unternehmensaufbau ist das CAQ-System. „Hier hat uns Gewatec ein tolles Produkt zur Verfügung gestellt.“ PreciTec nutzt nahezu die gesamte Bandbreite des CAQ-Moduls, von der Prüfplanung über Prüfmittelüberwachung und Erstmusterprüfung bis zu umfangreichen Auswertungen und Dokumentationen. Über das CAQ wird zudem das wichtige Reklamationsmanagement abgewickelt. Torsten Fizia: „Der Kunde verlangt immer häufiger eine komplette Qualitätsdokumentation zum Produkt, selbst wenn das die Herstellung erheblich verteuert. Das können wir ihm heute liefern.“ Alle Messmittel sind direkt mit dem CAQ-Modul verbunden, inklusive der neuen Zeiss 3D-Koordinatenmessmaschine. Die Zeiss-Messmaschine ist so ausgelegt, dass sie auch als Dienstleistung für andere Firmen eingesetzt wird.

Das CAQ wird auch zur Maßnahmenüberwachung der Zertifizierungen genutzt, wie bei der aktuell vorbereiteten Zertifizierung nach ISO/TS 16949. Sie soll ein weiteres großes Marktfeld öffnen: die Serienfertigung der Autombilindustrie. Die bei Zertifizierungen notwendige Zeichnungshistorie ist heute lückenlos belegbar. Die Dokumente des Kunden wie Zeichnungen, Prüfanweisungen, Werkstoffzertifikate, etc. werden über die Officeschnittstelle eingelesen und dem Auftrag als pdf angehängt, sodass eine saubere Rückverfolgbarkeit gewährleistet ist.

Das ERP habe eine ganze Reihe weiterer entscheidender Funktionen für PreciTec, wie z.B. die Steuerung des Lagers, die besonders bei der exakten und vorausschauenden Bereitstellung der seltenen und teilweise nicht einfach zu beschaffenen Werkstoffe wichtig sei. Oder die Leitstandfunktion in KapPlan: sie habe die Maschinenbelegung und –auslastung ebenso optimiert, wie sie exakte Daten der Aufträge bei der Einlastung in der Planungsphase und später während des Fertigungsdurchlaufes liefere. 

BDE-Auswertungen

Die aktuellen Daten der Fertigung finden dabei über die BDE/MDE-Terminals Eingang ins System, die zusammen mit der Gewatec-Prozessampel direkt an 18 der Maschinen installiert sind. Über die Kombination Terminal/Prozessampel werden Vorgänge wie die Aufforderung zur nächsten Messung beim aktuellen Auftrag (SPC) oder anstehende Wartungen gesteuert. Ebenso erhält der Werker wichtige Informationen über die Produktivität seiner Maschine, z.B. über den farblich dargestellten OEE-Wert sowie über die aktuelle Qualität, die über den cpk-Wert dargestellt wird. Das BDE/MDE-Tool PROVIS stellt aus den Fertigungsdaten nicht nur einen Online-Einblick in die Fertigung zur Verfügung, sondern es lassen sich je nach Bedarf auch die unterschiedlichsten Auswertungskennzahlen bezogen auf Maschine, Material oder Auftrag ermitteln.

„Die Möglichkeit der Auswertungen hatte anfangs für eine gewisse Verunsicherung bei den Mitarbeitern gesorgt“, erklärt Torsten Fizia, „aber mittlerweile haben wir durch intensive Kommunikation und absolute Transparenz die Vorbehalte ausgeräumt.“ Heute sei jedem bewusst, dass es nicht um Mitarbeiterkontrolle, sondern um Produktionscontrolling gehe, um die Transparenz der Fertigunsgprozesse und einen optimalen Fertigungsdurchlauf. Wenn z.B. ein Werkzeugbruch vorliegt oder die Maschine steht, weil der Qualitätsmann zur anstehenden In-Prozess-Messung nicht erschienen ist, wird jetzt über BDE der Störgrund auch gemeldet, sodass der Stillstand nicht dem Werker an der Maschine angerechnet wird.
Damit die Auswertungen der Fertigung auch allen zugänglich sind, werden sie ins Intranet gestellt.

Dirk Schwichtenberg zeigt sich zufrieden: „Abgesehen davon, dass wir ohne ERP nicht mehr zurechtkämen, sind die von Gewatec versprochenen 15 Prozent Produktivitätszuwachs sicher zu erreichen.“ Die Übersicht über die Fertigung sei ‚Gold wert‘. Aber auch die Tatsache, das Gewatec keine Kunde-Lieferanten-Beziehung, sodern ein partnerschaftliches Verhältnis pflege, gebe einem aufstrebenden jungen Unternehmen wie PreciTec eine große Sicherheit für die Zukunft. Die nächsten ERP-Schritte werden eine noch intensivere Nutzung der vorhandenen Möglichkeiten der Software sein, wie die geplante komplette Einrichtung des Produktionsmittel-Managements. Denn der jetzige Nutzungsgrad über das Gesamtsystem gesehen, liege bei geschätzten 50 bis 60 Prozent. „Also, noch viel Luft nach oben,“ so der Geschäftsführer.

Eduard Rüsing

ist freier Fachjournalist in Karlsruhe.

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