Software und Strategien für den erfolgreichen Mittelstand

Diskussion: Vorteile von „ERP aus der Cloud“, Teil 4

Schnelle Inbetriebnahme und Release-Wechsel

Sascha Vohl, Quelle: BSH IT Solutions

Welche Argumente sprechen für „ERP aus der Cloud“, wenn es um die schnelle Inbetriebnahme und den schnellen Release-Wechsel bei ERP-Systemen geht? Zu dieser Frage haben ERP-Spezialisten Stellung bezogen. Dabei werden als Argumente das Preismodell, Sicherheit und Mobilität genannt. Aber auch die ständige Aktualisierung der Software gilt als ein wichtiger Faktor, der den Einsatz von Cloud-basierten ERP beschleunigen soll.

Allerdings belegen Studien aus dem ERP-Umfeld , dass die bestehenden ERP-Anwender dem Thema „ERP aus der Cloud“ noch keine allzu große Bedeutung beimessen. Doch Neueinsteiger sollten sich überlegen, ob nicht diese Variante für sie geeignet ist. Und wer sein ERP-System nach wie vor in den eigenen Räumen betreiben möchte, der kann schon mit einer „Private Cloud“ starten und ist dann ohne aufwändige Umrüstarbeiten für einen späteren Mischbetrieb gut aufgestellt.

Inbetriebnahme

Dan Matthews, CTO IFS World Operations, verspricht ein schnelleres Setup bei ERP aus der Cloud. Quelle: IFS

Aktuelle Studien aus dem ERP-Umfeld wie etwa die Trovarit-Studie „ERP in der Praxis“ zeigen, dass die bestehenden ERP-Anwender dem Thema „ERP aus der Cloud“ noch keine allzu große Bedeutung beimessen. Doch Neueinsteiger sollten sich überlegen, ob nicht diese Variante für sie geeignet ist. Und wer sein ERP-System nach wie vor in den eigenen Räumen betreiben möchte, der kann schon mit einer „Private Cloud“ starten und ist dann ohne aufwändige Umrüstarbeiten für einen späteren Mischbetrieb gut aufgestellt.

Allen Unternehmen sind aber zwei Anforderungen bei ERP-Systemen wichtig: Es geht zum einen um die schnelle Inbetriebnahme. Zum anderen ist auch für viele Anwender der möglichst reibungslose und schnelle Release-Wechsel eine Anforderung, die sich im Lastenheft wiederfindet. Für Sascha Vohl, Prokurist bei der BSH IT Solutions, einer 100prozentigen Tochterunternehmen des Bremer IT-Unternehmens Allgeier IT Solutions, liegen die Vorteile auf der Hand: „Bei der Inbetriebnahme aus der Cloud konzentriert sich der Kunde ganz auf seine Prozesse. Die Optimierung und das Customizing der ERP-Software und die zeitintensiven Nebenschauplätze wie ‚Haben wir genug Speicherplatz?‘, ‚Sind Backup-Verfahren zu ergänzen?‘, und ‚welche Server werden zusätzlich mit welcher Cluster-Software benötigt?‘ entfallen ersatzlos. Das bedeutet einen hohen Zeitgewinn. In der weiteren Betriebsphase entfallen zudem mit dem Release-Wechsel einhergehende Aufgaben. Die sind nun Aufgaben des Cloud-Anbieters.

„Bestellt ein Unternehmen Comarch ERP aus der Cloud, greifen wir auf eine Grundinstallation zurück, die entsprechend unserer Hardware eingerichtet ist und erstellen für den Kunden eine Kopie, die nur mehr an die Kundenwünsche angepasst werden muss“, erklärt Philipp Erdkönig, Department Director Business Development Center DACH bei Comarch. „Es entfallen für den Kunden also nicht nur das Sizing und die Beschaffung der Hardware, sondern auch deren Konfiguration, die Installation und Einrichtung nötiger Middleware und die Installation der Software an sich.“ Das schlage sich laut Erdkönig nicht nur in kürzeren Projektlaufzeiten, sondern auch in niedrigeren Projektkosten nieder. „Im Falle von Comarch ERP spielt das Thema Release-Wechsel vor allem für die Public Cloud Kunden – also jene, vor allem kleine, Unternehmen, die Comarch ERP in einer standarisierten Konfiguration nutzen – eine Rolle, da sie garantiert immer auf dem neuesten Release arbeiten, der nach Voranmeldung sozusagen über Nacht eingespielt wird“, so Erdkönig weiter.

Risikominimierung

Jörg Jung, Geschäftsführer von UNIT4 Business Software, verspricht "Innovation am Fließband"; Quelle: UNIT4 Business Software
Für Andreas Anand, Vice President Consulting Services EMEA bei Infor, bietet die Cloud ein maximum an Flexibnilität; Quelle: Infor

Für Dan Matthews, CTO IFS World Operations, lautet das zentrale Argument: Risikominimierung. „Cloud-basierte Lösungen lassen sich problemlos nach oben oder unten skalieren. Unternehmen müssen nicht mehr umfangreich analysieren, welche Workloads für die Zukunft zu erwarten sind, und wie groß deshalb die eigenen Server-Kapazitäten sein müssen.“ Die Kapazitäten lassen sich nach seiner Einschätzung stattdessen jederzeit nachträglich anpassen. „Bei der Installation selbst kann viel Zeit gespart werden. Das Setup nimmt nur wenige Stunden in Anspruch - im Gegensatz zur Konfiguration eines neuen On-Premise-Systems, die Wochen oder Monate dauern kann.“

„Aus Sicht der Unternehmen ist die Frage nach den Vorteilen einer Cloud-basierten ERP-Lösung schnell beantwortet: Der Kostendruck auf ihre IT-Abteilungen und das elegante, bedarfsgerechte Abrechnungsmodell sowie die schnelle Einsatzmöglichkeit bzw. der schnelle Release-Wechsel der  Cloud-Lösungen wird immer mehr Unternehmen dazu bringen, Cloud-Angebote auch für betriebswirtschaftliche Anwendungen zu prüfen und in Anspruch zu nehmen“, gibt sich Jörg Jung überzeugt. Der Geschäftsführer von UNIT4 Business Software erkennt aber noch einen weiteren Vorteil: die Risikoauslagerung. „Das Risiko der Lauffähigkeit und Verfügbarkeit liegt beim Anbieter der Cloud-Lösung. Der Anwender muss keine große Erstinvestition leisten und kein langwieriges Projekt durchführen, das über den Erfolg der Anwendung entscheidet. Er kann es einfach einfordern. Die Schnelligkeit, quasi über Nacht neue Lösungen in Einsatz zu nehmen, sowie unverzüglich und fokussiert auf Änderungen im Geschäftsmodell zu reagieren runden das Bild ab. Sie erhalten somit als Kunde quasi ‚Innovation am Fließband‘.

Auch bei SAP spielt die schnelle Verfügbarkeit von neuesten Technologien, wie etwa SAP HANA, eine große Rolle in der Argumentation: „Neue Releases werden direkt und zentral zur Verfügung gestellt. Aufwändige Projekte und Anpassungen entfallen, es entsteht keine ‚Release-Verschleppung‘, die für den Kunden den Zugriff auf wichtige neue Funktionen verhindert“ gibt Angela Mazza zu Protokoll. Als Senior Vice President, Head of Cloud & Line of Business bei SAP SE, ist sie für den Bereich Middle & Eastern Europe zuständig. „Zudem vereinfachen und beschleunigen Browser-basierte Lösungen mit intuitiven und mobilfähigen Oberflächen signifikant den Roll-out von Lösungen. Flexible User-Modelle passen sich an die Wachstumsgeschwindigkeit der Unternehmen an.“

Auch Bernd Bätz, SAP Technical Consultant bei der FIS-ASP Application Service Providing und IT-Outsourcing GmbH, bricht eine Lanze für Cloud-basiertes ERP: “In Betrieb nehmen lassen sich SAP-Systeme nachweislich schneller, wenn sie aus der Cloud bezogen werden. Der Cloud Provider hat in der Regel die benötigten Hardware-Ressourcen zur Verfügung und kann diese mittels Virtualisierung schnell bereitstellen.“ Dagegen sieht er bei den Release-Wechseln keine signifikanten Unterschiede „Hier entsteht in jedem Fall Aufwand beim Testen des Customizing und insbesondere der eigenentwickelten Anwendungen. Dies kann dem Anwender ein Service-Provider im Allgemeinen nicht abnehmen. Im Falle FIS-ASP werden häufig die anwendungsbezogenen Release-Wechsel-Tätigkeiten vom Mutterhaus FIS GmbH auf Anforderung des Kunden übernommen.“

„Wenn die Kundeninstallation ‚im Standard‘ bleibt, erweist sich ERP aus der Cloud natürlich sehr geeignet, um schnell neue Releases den Anwendern zur Verfügung zu stellen“, berichtet Frank Naujoks. Der Product Marketing Manager für Dynamics AX bei Microsoft stellt allerdings klar: „Gerade bei größeren, älteren Installationen dürfte das aber kaum der Fall sein. Da ERP-Systeme sehr komplexe Gebilde sind, gilt es bei jeder Veränderung auch die Abhängigkeiten zu anderen Systemen zu überprüfen. Für Dynamics AX bieten wir beispielsweise eine Cloud-Umgebung an, um genau solche Interdependenzen zu testen.“

„Viele Unternehmen können nicht auf neuere Versionen ihrer angestammten ERP-Software wechseln, weil sie sie aufwändig an ihre individuellen Prozesse angepasst haben“, gibt Andreas Anand, Vice President Consulting Services EMEA bei Infor, zu bedenken. „Eine Cloud-Lösung ermöglicht automatisch den Zugriff auf die jeweils neueste Version. Bedeutend ist außerdem, wie schnell sich Unternehmen in Bezug auf Größe und Marktreichweite verändern. Wird die eigene Hardware oder der IT-Support zum Hemmschuh, weil man an zusätzlichen Standorten oder für weitere Mitarbeiter nicht schnell und kostengünstig genug skalieren kann? Die Cloud bietet hier mit ihrem kapazitätsbezogenen Abrechnungsmodell ein Maximum an Flexibilität.“

Die schnelle Inbetriebnahme ohne Installation, da Software in der Regel durch den ERP Anbieter betrieben wird, stellt Dirk Stadtherr, Product Manager Workforce Management bei KaBa, als wichtigen Vorteil der Cloud-basierten ERP-Lösungen heraus: „Zudem kommt noch ein reduzierter Bedarf an IT-Spezialisten Vor-Ort für den Release-Wechsel ins Spiel.“ Zudem verfügen die Cloud-ERP-Anbieter über ein größeres Know-how bei Installation, Migration oder Release-Wechsel, da sie oftmals mehrere Systeme betreiben.

Preismodelle

Jan Friedrich, Projektleiter Cloud Services im Geschäftsbereich „Kleine und mittlere Unternehmen“ der Sage Software, Quelle: Sage

„Die meisten Online-Lösungen bieten eine monatliche Nutzungsgebühr an, sind meist auch monatlich kündbar, oder sie basieren auf Nutzungsdauer/Menge. Somit kann ein Anwenderunternehmen die Lösung flexibel nutzen, sie schnell kündigen oder wechseln. Ein Nachteil kann es sein, dass nach einer bestimmten Laufzeit, die Kosten, die beim Kauf einer einmaligen Lizenz angefallen wären, überschritten werden“, führt Jan Friedrich aus. Der Projektleiter Cloud Services im Geschäftsbereich „Kleine und mittlere Unternehmen“ der Sage Software weist darauf hin, dass aber auch die Kosten für Hardware, Netzwerke u.ä. mit in die Rechnung einbezogen werden müssen: „Auch die Stromkosten spielen heute eine zunehmend wichtige Rolle, die in die Betriebskosten für IT Systeme eingerechnet werden müssen und bei einem eigenen Server leicht hundert Euro und mehr pro Monat ausmachen können.“

Des Weiteren machen neue gesetzliche Bestimmungen Updates notwendig. „Ob Reisekostenreform, SEPA oder neue Steuersätze: Die Software muss immer auf dem aktuellsten Stand sein. Der Vorteil für Online-Kunden wird hier deutlich: Sie müssen sich darüber keine Gedanken machen, denn die Updates werden automatisch eingespielt. Dies geschieht meist über Nacht, der Nutzer muss nicht aktiv werden.“ Auch neue Funktionen und Softwareverbesserungen werden laut Friedrich schneller und ohne eigenen Aufwand eingespielt. „Bei der fest installierten Software ist ein klein wenig mehr Aufwand nötig“, so Friedirch weiter. „Hier gibt es meist gebündelte Service Pakete und Updates, die heruntergeladen und installiert werden müssen. Die Verantwortung liegt in diesem Fall beim Nutzer. Er muss daran denken, Updates vorzunehmen.“ 

Für Friedrich spielt auch der Aspekt Sicherheit eine wichtige Rolle: „In Deutschland gelten die höchsten Sicherheitsstandards für Online-Lösungen. Insbesondere Kleinunternehmer- profitieren von den hochprofessionellen Online-Diensten. Ihre Daten liegen in Rechenzentren, deren Haupttätigkeit es ist, die Daten zu speichern und zu sichern. Tägliche Datensicherungen und Datenwiederherstellungen, modernste Technologien und ein 24-Stunden-Service sorgen für ein höchst mögliches Maß an Sicherheit. Während Feuer-, Wasser, sonstige Geräteschäden oder auch ein Diebstahl einen kompletten Datenverlust bedeuten können, bleiben die Daten in der Cloud immer abrufbar.“

Das Argument „Wartungsfenster“ führt man bei Proalpha noch als Vorteil der Cloud-basierten Lösungen auf: „ERP aus der Cloud bietet klare Vorteile - bei Release-Wechseln und Fehlerkorrekturen durch die Patches. Denn durch den skalierten Einsatz kann in einem Wartungsfenster immer eine Gruppe von Kunden aktualisiert werden. Die Implementierung eines neuen Systems werde jedoch durch Cloud-ERP nicht vereinfacht oder verkürzt, da Schulung und Prozessberatung im gleichen Maße erforderlich sind.

Rainer Huttenloher