Software und Strategien für den erfolgreichen Mittelstand

Anforderungen an ERP-Systeme im „Logistikeinsatz“

Unternehmensgrenzen dürfen keine Barriere darstellen

Zusammenspiel von CRM- und ERP-System Quelle: GPS

Die Fertigungstiefe sinkt, immer mehr Produkte werden bereits von vorfertigenden Unternehmen (ein-)gebaut – dieser Trend ist nicht nur in der Automobilbranche signifikant. Daher tritt das Thema „Logistik“ bei vielen Betrieben in den Vordergrund – und hier muss das ERP-System für den „Betrieb über Unternehmensgrenzen“ hinaus gewappnet sein.

Werner Schmid, ERP-Experte von der „Gesellschaft zur Prüfung von Software“ (GPS), erläutert, welche Anforderungen von einem modernen System in dieser Branche abzudecken sind.

Branchenfokus

Typischer Prozessfluss in einem modernen Unternehmen mit mehreren Standorten. Quelle GPS

Die Fokussierung der ERP-Hersteller auf bestimmte Zielbranchen ist ein wesentlicher Grund für den Erfolg vieler Anbieter – denn den ERP-Markt in Deutschland teilen nicht nur die „großen“ Hersteller, wie SAP, Microsoft oder Oracle, unter sich auf. Daher gilt es zu klären, welche Funktionalitäten ein ERP-Hersteller abdecken sollte, wenn er in der Logistikbranche zu den Top-Anbietern gehören möchte.

„Ein ERP-System-Hersteller sollte erkennen, dass und vor allem wie sich die Abläufe in der Produktion seit der Zeit geändert haben, als die ERP-Systeme ‚erfunden‘ wurden.“ führt Werner Schmid aus. Der ERP-Experte von der „Gesellschaft zur Prüfung von Software“ (GPS) betont: „Die Arbeitsteilung ist viel größer geworden, die Zahl der Zulieferer und der an der Produktion beteiligten Dienstleister ist stark gewachsen.“

Multisite-Thematik allerorten

„Fast jedes mittelständische Unternehmen besteht heute aus mehr als nur einer Gesellschaft an einem Standort. Diese Unternehmen haben im Prinzip eine Konzernstruktur, auch wenn mittelständische Unternehmer das nicht gerne hören oder so von sich selbst sagen würden“, so Schmid.

 

Grenzenlos

Die Planung und Steuerung eines Unternehmens – was als die ureigene Aufgabe von ERP-Systemen gilt – muss über die Grenzen des eigenen Unternehmens hinausgehen und die Lieferanten, Logistik- und Personaldienstleister einbeziehen.

„Der Anteil der Zulieferungen bei der Wertschöpfung ist meist größer als derjenige, der durch die eigene Fertigung entsteht“, erläutert Schmid. „Die Zeiten, die für den Transport der Zulieferungen sowie für die Zwischen- und Endprodukte anfallen, betragen heute ein Mehrfaches der eigentlichen Produktionszeit. Da spielt die Musik.“

Orchestrierung aller Teilbereiche

Dazu führt Schmid ein Beispiel aus: „Das sogenannte Auftragsnetz ist das Kernstück einer Produktionsplanung. Es zeigt auf der Zeitachse, wie, wo und an welchem Arbeitsplatz die Einzelteile zu Baugruppen und diese zu Endprodukten zusammengebaut werden. Wenn die Baugruppen von außen, also von Zulieferern kommen, müssten deren Lieferungen auch im Auftragsnetz sichtbar werden. Und zwar in Echtzeit, also wie bei einer Fertigung im eigenen Betrieb.“

Technisch wäre das durchaus möglich, so Schmid: „Über eine Web-Plattform, wie zum Beispiel Twitter, synchronisieren täglich Millionen Nutzer ihre Meinung. Für die Synchronisation von Lieferungen, also für die Steuerung der Supply Chain, wäre das genauso möglich.“

 

Logistikfragen

Betrachtet man die Aufgabenstellung aus der Sicht der Logistiker, zeigt sich eine Entwicklung: „Logistik-Unternehmen haben schon vor vielen Jahren begonnen, ihre eigene Wertschöpfung durch zusätzliche Dienstleistungen zu erhöhen. So holen einige Logistiker Bauteile von den Lieferanten ab, montieren sie in eigenen Räumen zu fertigen Komponenten zusammen und liefern sie dann zum Beispiel bei Automobilherstellern ans Band. Andere sortieren und etikettieren die Artikel, die sie bei den Herstellern abholen und füllen zum Beispiel bei Baumärkten die Regale wieder auf.“

Umgekehrt könnten ERP-Systeme, so die Einschätzung von Schmid, auch den gesamten Transportweg einschließlich der Um- und Zwischenlagerungen planen, steuern und kontrollieren – und zwar einschließlich der Kostenverfolgung.

Ein anderes Beispiel, das auch zur Logistik gehört, betrifft den Transport von Personen. „Angenommen ein Großhändler bekommt regelmäßig halbe Güterzüge von Waren in Containern – zum Entladen braucht er kurzzeitig einige Mitarbeiter am Bahnhof. Das ERP-System kennt die Ankunftszeit und den aktuellen Personalbestand. Das ERP-System könnte den Personaleinsatz einschließlich der Transportmittel planen und steuern.“, empfiehlt Schmid.

Rainer Huttenloher