Software und Strategien für den erfolgreichen Mittelstand

Exzessive Individualisierung oder Konzentration auf den ERP-Standard

Bei Branchenfokussierung passt schon der Standardanzug gut

Bild 1. Godelef Kühl, Gründer und Geschäftsführer von Godesys: „Die Fokussierung eines ERP-Anbieters auf bestimmte Branchen hat einen großen Vorteil: Das System lässt sich für diese Anforderungen besser zurechtschneidern.“

Möglichst nahe am Standard bleiben oder doch lieber massiv auf Individualisierung setzen? Vor dieser Frage stehen viele Unternehmen aus der Logistik- und Großhandelsbranche. Mit einem Standardansatz gibt ein Unternehmen womöglich Vorteile auf, die es sich in langer Zeit erarbeitet hat. Doch wer zu viel individualisiert, bei dem sind Probleme zu erwarten, wenn der Release-Wechsel ansteht. In der Roundtable-Diskussion von Solutions for Business diskutierten drei ERP-Experten über dieses Thema.

Fokussierung

Bild 2. Ulrich Gauweiler, Mitglied der erweiterten Geschäftsleitung beim SAP-Partner ITML: „Die ‚Nice to Have‘-Themen bleiben erst mal außen vor, denn das sind Aufwandstreiber.“

Einen Ausweg aus dem Dilemma bieten die Individualisierungswerkzeuge. Ein ERP-Anbieter muss versuchen, die Individualisierung des Systems möglichst einfach – womöglich über ein spezielles Tool – zu gestalten. „Daher bringt eine Fokussierung des ERP-Anbieters auf bestimmte Branchen“, so Godelef Kühl, Gründer und Geschäftsführer von Godesys, „einen enormen Vorteil: Das System lässt sich für diese Anforderungen besser zurechtschneidern. Das ist wesentlich einfacher und zudem besteht die Möglichkeit, die Komplexität zu verbergen.“

Best Practices gehören zum Standardrepertoire

Das Thema Best Practices ist vor allem im SAP-Umfeld wichtig: „Bei SAP-Systemen setzt man auf die jeweils vorkonfigurierten Best Practices für eine Branche“, erklärt Ulrich Gauweiler, Mitglied der erweiterten Geschäftsleitung beim SAP-Partner ITML. „Wenn die dann nicht so gut passen, müssen wir als Systemhaus weitere Anpassungsarbeit leisten. Das versuchen wir dann in Phasen zu erledigen.“ Für den ITML-Manager hat sich eines gezeigt: „Wenn Unternehmen sagen, wir packen möglichst alles in das System rein – die vielzitierte eiermilchlegende Wollmilchsau – dann geht das meist schief. Besser bewährt sich in der Praxis, dass man bei der Einführung zuerst die Standardprozesse abdeckt und zudem noch einige wichtige Sonderprozesse abbildet.“

Damit müsse sich dann aber insgesamt schon eine Effizienzsteigerung gegenüber der vorherigen Lösung ergeben – sonst mache die neue Lösung keinen Sinn für ein Unternehmen. „Doch die sogenannten ‚Nice to Have‘-Themen, bleiben erst mal außen vor, denn das sind Aufwandstreiber. Damit reduziert sich dann auch die Einführungszeit enorm. Allerdings leben wir als SAP-Partner schon auch davon, dass wir Dienstleistungen bei der Einführung mit anbieten – wir sind ja nicht der Hersteller der Software.“

Aufteilung in Phasen beschleunigt Go Live

Deswegen favorisiert Gauweiler die Aufteilung eines Projekts in Phasen. „Der ‚Go Live‘ erfolgt zum Tag X, das schaffen wir mit den Best Practices und einigen Sonderfunktionen. Doch dann, in Phase 2 oder 3, werden wir noch weitere Funktionalitäten umsetzen. Damit vermitteln wir dem Kunden: Die Einführung der Software ist eigentlich nie beendet. Denn die Prozesse beim Anwender müssen auch agil nachgeführt werden und das ist dann in der Software abzubilden. Anders ausgedrückt: Die Partnerschaft mit dem ERP-Anbieter lebt weiter.“ Dabei sei es egal, welches ERP-System man einführt – es bleibe immer was zu tun.

Das sieht Godelef Kühl anders: „Es ist nach meinen Erfahrungen nicht egal, welches System man einführt. In der Praxis erweist es sich für das Anwenderunternehmen als eine gefährliche Sache, wenn man sich erst einmal einem System verschrieben hat und dann nur einen 80prozentigen Funktionsumfang bekommt. Denn dann ist man dem Anbieter ausgeliefert, was unter Umständen sehr teuer werden kann. Eine derartige Fehlentscheidung wird man schwer bereuen.“

Daher scheidet für Kühl der Ansatz „Jetzt fangen wir erst einmal an, und dann sehen wir schon“ aus – denn das wird der Markt nicht akzeptieren: „Anwender wollen klare Aussagen über die Kosten und das Timing. Sicher sind die heutigen Projekte nicht mehr statisch: Wenn das ursprüngliche Pflichtenheft komplett abgearbeitet ist, haben sich viele Anforderungen schon weiterentwickelt und dann muss nachjustiert werden. Das hat dann auch Einfluss auf die Entwicklung der Kosten.“

Für Gauweiler ist eine andere Argumentation zutreffend: „Wenn der Kunde von vornherein weiß, was er in einer Phase 2 und 3 ausgeben muss, dann ist der zuvor geschilderte Ansatz auf alle Fälle legitim. Als SAP-Systemhaus haben wir zudem die Situation, dass ein Anwenderunternehmen aus einer großen Community von SAP-Partnern wählen kann – und dann wird schon mal der Partner ausgetauscht, wenn ein Projekt nicht zufriedenstellend läuft. Somit bleibt der Anwender lediglich mit der SAP-Software verhaftet, doch die kann er ja etwa nach zwei Jahren auch wieder rauswerfen.“

„Der normale mittelständische Großhändler kann es sich keinesfalls leisten, nach zwei Jahren ein neues ERP-System einzuführen. Eine derartige Situation wird nur dann eintreten, wenn ein Projekt komplett gegen die Wand fährt“, entgegnet Kühl. „So etwas hinterlässt deutliche Bremsspuren beim Gewinn eines Unternehmens und führt zu massiven Problemen.“

Der Partnerkanal ist sehr wichtig

Für Guido Grotz, Vorstand der Step Ahead AG, ist alles stark vom Partner abhängig, denn jede Lösung lässt sich gut oder schlecht einführen: „Es ist immer der Partnerkanal wichtig. Zum Punkt ‚Einführungsexzesse‘ gibt es bei uns eine klare Ansage: Wir oder unser Partner müssen schon im Verkaufsprozess erkennen, ob die Software wirklich passt. Es macht wenig Sinn, sich hinterher in die Rückabwicklung zu begeben und mit seinem Kunden zu streiten. Das kann sich kein Hersteller leisten. Daher sind wir wirklich schon im Verkaufsprozess selbst gefordert. Wir verkaufen zudem nur nach Best Practices – falls wir merken, dass ein Anwender etwas haben möchte, was wir nicht liefern können, dann lassen wir es sein.“

Generell sieht für Grotz die Ausgangssituation aber anders aus: „Der typische Mittelständler – und wir adressieren eher den unteren Mittelstand – kommt zu uns, weil er eine riesige Lücke hat. Er deckt mit seiner aktuellen Softwarelösung maximal 50 Prozent seiner Prozesse ab. Daher muss eine Lösung von uns, die dann im ersten Schritt schon 80 Prozent abdeckt, auch gleich sofortige Verbesserungen nach sich ziehen und somit einen klaren Mehrwert bieten.“

Wer neue Services bieten kann, bleibt attraktiv

Dabei müsse der Großhändler nach außen attraktiv bleiben – weshalb es gelte, immer wieder neue Angebote und Services zu unterstützen. „Die Prozessverbesserungen müssen einen Nutzen haben, wie etwa mehr Umsatz oder höheren Profit – das sind die Kriterien“, so Grotz. „Und hier müssen wir als ERP-Hersteller unsere Kunden unterstützen. Was nützt es, einen Prozess zu 100 Prozent zu automatisieren, der nur zweimal im Monat durchlaufen wird und so gut wie keine Ergebnisverbesserung bringt? Da kann man mit einer teilautomatisierten Variante auch gut leben. Diese Information müssen wir unseren Kunden vermitteln – nur so wird eine optimale Lösung entstehen. Das ist aber nur über die Beratung machbar – auch wenn man eventuell sagen muss: Das müsst ihr ganz anders machen, verabschiedet euch von eurem bisherigen Ansatz.“

Einführungszeit

Bild 3. Guido Grotz, Vorstand der Step Ahead AG: „Zum Punkt ‚Einführungsexzesse‘ gibt es bei uns eine klare Ansage: Wir oder unser Partner müssen schon im Verkaufsprozess erkennen, ob die Software wirklich passt.“

Die Einführungszeit lässt sich für Kühl nur dann reduzieren, wenn man sich auf die Kernprozesse konzentriert und das Unternehmen genau weiß, was es macht: „Betritt das Unternehmen dagegen Neuland, wird es komplizierter. Denn in diesem Fall kommt noch die organisatorische Komponente zum Tragen, unabhängig davon, welches ERP-System zum Einsatz kommt. Da muss das Unternehmen damit klarkommen, dass es sich in einem permanenten Projektmodus mit der IT-Abteilung befindet. Und jedes Projekt braucht ein Ziel – dazu kommen auch noch sinnvolle Teilziele. Einen großen undurchschaubaren Prozesskonvolut auf den Tisch legen und dann alles in einem Schwung umsetzen – das wird scheitern. Das können auch die besten Berater nicht hinbekommen, so Kühl.“

Dabei dürfe auch der Termin nicht wichtiger sein als der Prozess: „Als besser erweist sich der Ansatz, dass man im Projektverlauf auch eingesteht, dass eine Komplexität unterschätzt wurde und man daher noch etwas länger mit der Aufgabe braucht. Das dauert vielleicht drei Monate länger, doch die Applikation passt dann wesentlich besser.“

Misstrauen gehört ausgeräumt

Allerdings gebe es aufgrund der Erfahrungen mit Auswüchsen bei ERP-Projekten in den 1990er-Jahren im Markt noch sehr viel Misstrauen. Aber auch da hilft es, laut Kühl, nur wenig, wenn im Vorfeld Pflichtenhefte erstellt werden, die zwar alles Mögliche abdecken, aber mit der Realität im Unternehmen nur wenig zu tun haben.

Dieser Aspekt stößt bei Gauweiler auf Zustimmung: „Viele Unternehmensberater erstellen derartige Vorgaben, die man dann auf ein vernünftiges Maß zurückführen muss. Oft lautet das Feedback: Wenn Du das alles umgesetzt haben möchtest, sind wir 2016 in der Feinkonzeptionsphase, haben bis dahin schon 23 Millionen Euro ausgegeben, aber es gibt noch keinen lauffähigen Prozess.“

Nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen

Doch auf die Berater verzichten kann man wohl nicht, so Gauweiler: „Wir müssen um jeden neuen Kunden kämpfen. Die Bedingungen für die Auswahl und die Einführung einer Software definiert der Kunde. Wenn man Pech hat, sitzt ein Berater mit vordefiniertem Pflichtenheft in der Gruppe. Dann sind Hunderte von Seiten zu beantworten – für ein System mit lediglich 50 Benutzern. Da schießt man oftmals mit Kanonen auf Spatzen. Zudem ergibt sich bei all den Anforderungen derartiger Pflichtenhefte auch ein Einführungsaufwand, der niemals zum gewünschten Go Live-Termin passt und zudem bei weitem das Budget des Unternehmens sprengt. In derartigen Fällen suchen wir das Gespräch mit dem Auswahlberater und streben an, auf ein passendes Maß zu kommen. Wenn aber wirklich alles wie gefordert abgedeckt sein soll, dann bieten wir in der Ausschreibung nicht mehr mit. Denn das ist nicht seriös zu machen. Man kann einem 350-Mann-Unternehmen mit 50 Usern keine ERP-Lösung mit Komplettkosten in Höhe von 3,5 Millionen Euro anbieten.“

„In den meisten Fällen“, so Gauweiler weiter, „ergibt sich im Gespräch schließlich die Einsicht: ,Dann können wir mit unserem Mehrphasenmodell gut landen‘. Da wird zunächst definiert, was in der ersten Phase abgedeckt sein soll und dann skizzieren wir die weiteren Teilschritte. Dem Kunden wird in der Regel auch schnell klar, dass das System und die einzelnen Prozesse ,leben‘ – sprich es muss immer wieder nachjustiert werden. Das war bei seiner bisherigen Lösung zwar auch schon so, doch hatten bislang unternehmensinterne Spezialisten nötige Änderungen mit massivem Aufwand im Bereich der Schnittstellenanpassung durchgeführt und so die Anwendung am Leben erhalten“, erklärt Gauweiler. „Nun kommt aber eine integrierte ERP-Software zum Einsatz und auch die lebt weiter. Und da müssen die Mitarbeiter erst wieder reinwachsen und man greift auf das externe Systemhaus zurück und nimmt entsprechende Hilfe in Anspruch. Wie auch immer – ein Unternehmen muss die sich ändernden Prozesse – die vom Markt aufgezwungen werden – auch bedienen können.“

Die Rolle der Berater bei der ERP-Systemauswahl

Auch für Kühl ist bei der Konfrontation mit Auswahlberatern und allzu üppigen Pflichtenheften eine Sache klar: „Als ERP-Hersteller muss man auch das Rückgrat haben, nicht bei überzogenen Anforderungen mitzumachen. Allerdings darf man eines nicht vergessen: Es gibt viele sehr gute Berater, die einen wertvollen Beitrag dazu leisten, dass die zur Auswahl stehenden Systeme auch passend beurteilt werden. Doch das merkt man als ERP-Hersteller recht schnell. Bei den Projekten, die nicht von Experten begleitet werden, sollte man sich aus der Ausschreibung verabschieden. Berater, die ihren Job verstehen, sagen einem ERP-Hersteller auch, wer der Endkunde ist. Denn dann kann man einen klaren Eindruck vom Kunden bekommen und bereits im Vorfeld abschätzen, inwieweit das ERP-System allein schon im Standard für die Aufgabenstellung passt.“

Das Thema Ausschreibungsplattformen bringt für Step Ahead so gut wie keine Vorteile: „Damit machen wir so gut wie kein Geschäft“, bringt es Grotz auf den Punkt. „Wir fokussieren auf die Branchen, die wir gut abdecken. Hier versuchen wir – zusammen mit unseren Partnern – auf die Shortlist zu kommen.“ Mit der Konzentration auf bestimmte Branchen ergibt sich von Haus aus eine ERP-Lösung, die sehr gut passt und das wird dann im Verlauf des Einführungsprojekts noch weiter verfeinert.

Allerdings haben die Einführungsprojekte heutzutage einen anderen Charakter bekommen, wie Grotz berichtet: „Einmal einführen, dann sieben Jahre laufen lassen und kaum mehr Änderungen – dieser Ansatz erweist sich in den meisten Fällen als nicht mehr zeitgemäß. Unternehmen sollten auch jedes Jahr auf einen neuen Release-Standard gehen. 95 Prozent unserer Kunden beispielsweise sind auf dem letzten oder vorletzten Release-Stand – und wir bringen zwei Releases pro Jahr raus.“

Wer technisch aktuell bleibt, kann agil agieren

Das verspricht laut Grotz eine höhere Agilität. Ein Unternehmen gehe keine technischen Schulden ein, die Infrastruktur passe immer: „Das beginnt schon bei Banalitäten wie einer neuen Version des Internet Explorers – denn da kann es bereits passieren, dass auf einmal was nicht mehr funktioniert. Solche Probleme können wir mit den Releases ausschalten.“
Beim Thema Kompatibilitätsfragen stimmt auch Gauweiler zu: „Das tritt bei Browsern schon noch auf. Aber es geht nicht darum, das komplette System nach einer neuen Version ändern oder neue Hardware einsetzen zu müssen.“

Einen geringeren Stellenwert misst Kühl Aktualisierungen bei: „Kunden müssen nicht immer die neueste Version im Einsatz haben – wenn ein Kunde fünf Jahre Ruhe haben will, ist das auch o.k. Je höher der Vernetzungsgrad ist, desto weniger glaube ich an das automatisierte Update im ERP-Bereich. Heute wird das Aktualisieren schon gut von Werkzeugen unterstützt. Es muss aber auch das gesamte Konstrukt funktionieren. Das umfasst weitaus mehr als nur die Software, sprich die Technik. Der organisatorische Aspekt darf da nicht außen vor bleiben. Daher müssen saubere Tests erfolgen, um sicherzustellen, dass das Gesamtsystem nach der Aktualisierung wieder problemlos funktioniert.“

 

Return on Investment

Die Frage nach dem Return on Investment (ROI) bei ERP-Projekten ist nicht erst seit dem Aufkommen von Tools für die ROI-Bestimmung in Mode gekommen. Doch ist der ROI im Bereich des Großhandels sehr schwierig zu beziffern – so lautet die Einschätzung von Gauweiler: „Nehmen wir als Beispiel einen ‚kleineren Großhändler‘ mit Einführungs- und Lizenzkosten von etwa 100.000 Euro – wie will der messen, wann sich seine Investition gelohnt hat? Für Unternehmen ist es dann einfach, wenn gesagt werden kann: Ich führe die neue Software ein und kann dafür x Leute von ihren Aufgaben entbinden.“

Ein Gegenbeispiel dazu liefert Kühl: „Bei einem unserer letzten Abschlüsse war das sehr einfach – die Kosten für die Einführung unserer Software plus die Softwarelizenz entsprachen den Kosten, die für ein Jahr Wartung des bisher eingesetzten SAP-Systems angefallen sind.“ Generell finde man die Aussagen zum ROI recht einfach: „Man muss sich mit seinen Kunden zusammensetzen, denn es gibt keinen Großhändler, der sich über den ROI im Vorfeld keine Gedanken macht. Er kennt ja sein zur Verfügung stehendes Budget und will dafür einen klar definierten Funktionsumfang erhalten. Es gibt allerdings kein Standardregelwerk, das aussagt, nach x Tagen ist der ROI erreicht.“

Projektziel gehört klar definiert

Für Kühl ist es aber auch wichtig, das Ziel des Projekts eindeutig zu benennen: „Das muss genau umrissen sein. Im Pflichtenheft wird das oft nicht klar genug skizziert oder es wird schlimmstenfalls im Verlauf des Projekts ignoriert. Aber es gibt viele einzelne Punkte, wo die ROI-Bestimmung klappt: Die Bonitätsprüfung ist ein Beispiel. Da kann man den ROI einfach ableiten, indem man den Zahlungsausfall gegenrechnet.“

Die Bedeutung eines aussagekräftigen Pflichtenhefts für die ROI-Bestimmung steht auch für Gauweiler weit oben: „Stehen im Pflichtenheft Forderungen wie ‚Ich möchte meinen Logistikdienstleister automatisiert angebunden haben‘, so können wir als Anbieter darauf reagieren und abschätzen, dass wir einen gewissen Umfang von Manntagen benötigen, um das zu realisieren. Damit kann ein Unternehmen schon absehen, ob sich eine Automatisierung rentiert oder ob man das nicht doch günstiger manuell abwickeln sollte.“

„Unternehmer haben immer den ROI im Blick“, gibt sich Grotz überzeugt. „Sie wissen, wie viel Geld sie in die Hand nehmen können und welche Vorteile das bringen soll. Eine Nachberechnung des ROI gibt es dagegen nur in den seltensten Fällen – denn wenn man alles reinnehmen möchte, wird das sehr schwierig.“ Dagegen sei es bei kleineren Nachfolgeprojekten viel einfacher. Da laute das Vorgehen: Eine Funktionalität mit einem klaren Invest und einer eindeutigen Verbesserung. Doch eines dürfe man nicht vergessen, so Grotz: „In Teilbereichen kann es sogar zu Verschlechterungen kommen – etwa wenn perfekt passende Insellösungen durch eine optimalere Gesamtlösung ersetzt werden. Doch das wird ganz bewusst akzeptiert, weil der Gesamtprozess eine Verbesserung erfährt.“

Zielerreichung gibt Aufschluss über die Qualität

Bei Godesys ist das Thema Nachbesprechung wichtig: „Wir setzen uns mit den Kunden regelmäßig zusammen und fragen ab, ob sie ihre Ziele erreicht haben. Das ist für uns eine Art von Qualitätsmessung“, erläutert Kühl. „Das könnte man auch bei der Einführung machen, doch da hat man so viel mit dem Projekt zu tun, dass selten die Zeit dazu bleibt. Aspekte, wie die Entwicklung der Umsätze nach der Einführung, ohne dass zusätzliches Personal eingestellt werden musste, geben schon klare Hinweise.“

Für Grotz ist der ROI nicht allein der Einführung der ERP-Lösung geschuldet: „Da ist viel Veränderung im Denken des Unternehmens mit dabei, das sich durch die ERP-Einführung ergibt. Zum ROI muss eine Vorstellung vorliegen, aber eine ganz klare Definition bleibt schwierig.“ Die von mehreren Seiten zur Verfügung gestellten ROI-Analysatoren haben in der Praxis nur wenig Relevanz – da sind sich alle drei Hersteller einig. „Ein halbes Jahr nach dem Go Live kann man sich zusammensetzen und ein Fazit ziehen“, fasst es Grotz zusammen, „ein echtes ROI-Versprechen vor der Einführung ist nicht seriös – zu viele Einflussfaktoren liegen außerhalb der ERP-Lösung.“

Rainer Huttenloher