Software und Strategien für den erfolgreichen Mittelstand

SAP-Personalwesen am Scheideweg

Quo vadis Human Capital Management?

Gerhard Göttert; Quelle: DSAG

Die SAP-Lösung für das Personalwesen (Human Capital Management – HCM) wird noch bis 2025 als On-Premise-Lösung verfügbar sein. Dass die HCM-Lösung aus der SAP Business Suite jetzt auch in S/4HANA eingebunden wird, ist für den Arbeitskreis Personalwesen (HCM) der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe e. V. (DSAG) keine zufriedenstellende Aussicht. Denn neue Funktionalitäten wird es wohl nur noch für SuccessFactors und damit in der Cloud geben.

Zukunft von SAP HCM

Bodo Martensen, Quelle: DSAG

Die Aussage von SAP bezüglich der Lösung für das Personalwesen (SAP HCM) war deutlich: SAP HCM soll ab 2025 in einer „On-Premise-Welt“ nicht mehr gewartet werden. Außerdem gibt es in der neuen S/4HANA-Welt keinen Platz mehr für eine HCM-Lösung. Als neue Heimat des IT-gestützten Personalwesens wurde mit SuccessFactors eine Cloud-Applikation auserkoren. Nach deutlichem Feedback an SAP aus dem DSAG-Vorstand, dem CIO-Kreis, dem Arbeitskreis Personalwesen und der Arbeitsgruppe SuccessFactors kam zu diesem Plan Bewegung in die Sache. Demnach wird Stand heute die HCM-Lösung aus der aktuellen SAP Business Suite auch in S/4HANA angeboten werden. Die gute Nachricht: Damit wird das bestehende HCM-Modul bis mindestens 2025 bezüglich gesetzlicher Anforderungen aktuell gehalten und gewartet. Die schlechte Nachricht: Um in den Genuss neuer Funktionalitäten zu kommen, empfiehlt SAP den Umstieg auf SuccessFactors und damit auf eine Cloud-Lösung.

Für den Arbeitskreis Personalwesen (HCM) ist diese SAP-Entscheidung allein noch kein Grund zur Sorge. „Auf welcher Plattform oder Basis eine zukünftige HCM-Applikation letztendlich laufen wird, ist für uns unerheblich. Entscheidend sind vielmehr die damit einhergehenden Funktionalitäten sowei die gesetzlichen und datenschutzrechtlichen Themen“, erläutert Bodo Martensen, stellvertretender Sprecher des Arbeitskreises Personalwesen. Bis 2025 ist es nach IT-Maßstäben noch lange hin – quasi eine gefühlte Ewigkeit. Doch das Problem liegt für den Arbeitskreis auch eher in der Gegenwart. Genau genommen geht es um die Koexistenz zweier konkurrierender Applikationen innerhalb des Produktportfolios von SAP. Eine Situation, die immer mal wieder auftreten kann, wie die Beispiele SAP Fiori, User Interface 5 oder auch Screen Personas zeigen. Die Parallelität von SAP HCM und SuccessFactors bewegt sich allerdings in einer anderen Dimension. „SAP erweitert SuccessFactors im Bereich Employee Central um die zusätzliche Funktionalität der Payroll. Dadurch besteht nicht nur eine Überschneidung mit SAP HCM im Talentmanagement, sondern nun auch in der Personaladministration und -abrechnung“, erläutert Marcus Schlesinger, Mitglied im Arbeitskreis Personalwesen (HCM).

An diesen funktionalen Herausforderungen reiben sich die DSAG-Gremien und nicht an SAP HANA als Plattform. „Die Basis-Plattform SAP S/4HANA ist für prozessgetriebene Applikationen wie HCM nicht das entscheidende Kriterium. An erster Stelle stehen die Prozesse, gefolgt von der Funktionalität. Erst dann wird die Technik interessant“, weiß Bodo Martensen zu berichten. Denn: Viele der SAP-HCM-Kunden haben die Lösung bis heute ausgiebig an ihre Belange sowie ihre IT-Landschaften und Prozesse angepasst. Das gilt auch und vor allem da, wo SAP HCM mit internationaler Ausrichtung eingesetzt wird.

Einen weiteren Knackpunkt sehen die Arbeitskreissprecher im reinen Cloud-Ansatz von SuccessFactors. „SAP muss sich darüber im Klaren sein, dass nicht jeder SAP-HCM-Kunde auf eine cloudbasierte Lösung umstellen wird. Nicht zuletzt, da in vielen Unternehmen SAP-HCM-Systeme eingesetzt werden, die sich nicht so einfach umstellen lassen, wenn überhaupt“, gibt Marcus Schlesinger zu bedenken. Ganz zu schweigen von den spezifischen Herausforderungen, um zum Beispiel in der öffentlichen Verwaltung ein cloudbasiertes Personalwesen einsetzen zu können. „Abhängig vom jeweiligen Fachverfahren müssten gewisse rechtliche Hürden überwunden werden. Die Lohnabrechnung (Payroll) ist beispielsweise ein Bereich, der aufgrund gesetzlicher Einschränkungen in einer Cloud-Lösung aktuell nicht denkbar ist. Aber auch Themen wie die Reisekosten müssten diesbezüglich erst noch eingehend unter juristischen Gesichtspunkten bewertet werden“, gibt Hermann-Josef Haag, Sprecher des Arbeitskreises Personalwesen (HCM), zu bedenken. Doch um letztlich eine Entscheidung pro SuccessFactors treffen zu können, fehlt es zudem an konkreten Informationen. „SAP und SuccessFactors tun sich aktuell noch sehr schwer, die Situation der konkurrierenden Koexistenz zu erklären. Das erschwert es den Anwendern und Beratern, für sich die richtigen Schlüsse zu ziehen“, ergänzt Bodo Martensen.

Arbeitsgruppe gegründet

Quelle: DSAG

Um Entscheidungshilfen zu liefern und eine Anlaufstation für drängende Fragen rund um SuccessFactors zu bieten, hat die DSAG im November 2014 eine gleichnamige Arbeitsgruppe gegründet. Diese ist derzeit parallel zu den weiteren Gruppen unter dem Dach des Arbeitskreises Personalwesen angesiedelt. Doch auch hier führt das „Nebeneinander“ mit SAP HCM zu Herausforderungen. Bei den Gruppentreffen kommt es zunehmend zu Themenüberschneidungen oder doppelt bzw. parallel gehaltenen Vorträgen. Darauf ein Auge zu haben und ggf. sortierend und organisierend einzugreifen, ist eine große Aufgabe für das Sprecherteam, „die wir gemeinsam angehen und auch bewältigen werden“, ist Marcus Schlesinger überzeugt.

Dennoch kann dies nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Denn dass SAP HCM in Zukunft nicht mehr On-Premise verfügbar sein soll, erachtet Bodo Martensen als problematisch, unabhängig davon, dass der endgültige Schlussstrich erst später gezogen wird. „Unter getätigte Investitionen, IT-Planungen, HR-Prozesse, Shared Services, Outsourcing/Hosting und Business Process Outsourcing (BPO) oder auch globale HCM-Systeme lässt sich nicht so einfach ein Federstrich ziehen, der da lautet: Kein HCM mehr ab 2026!“ Dabei spielt nicht nur die Frage der Lizenzierung eine Rolle. Auch die Kosten der notwendigen Umstellungen bzw. einer möglichen Einführung paralleler IT-Systeme werden über kurz oder lang ein wichtiges Thema.

Problematisch an dieser Planung ist auch, dass es für Bereiche wie die positive Zeitwirtschaft oder die Personalkostenplanung Stand heute noch keine Roadmap gibt, aus der hervorgeht, wann die fehlenden Bausteine in SuccessFactors umgesetzt werden sollen. „Gerade diese Funktionalitäten sind jedoch wichtig, um SuccessFactors zu einem ganzheitlichen HR-Tool zu machen“, gibt Marcus Schlesinger zu bedenken. Genauso wichtig wird es sein, die Unternehmen bei ihrer Entscheidung bezüglich eines weiteren Punkts zu unterstützen: Wie lässt sich eine cloud-basierte Lösung in bestehende Prozesse und IT-Landschaften einbinden?

Diesbezüglich sind bei den aktuellen Integrationsmodellen mit Side-by-Side- oder Hybrid-Ansatz noch viele technische, organisatorische und finanzielle Fragen offen. Folglich wäre es wünschenswert, dass sich DSAG und SAP im Rahmen der neu gegründeten Arbeitsgruppe SuccessFactors konkret bei den weiteren Plänen und Vorgehensweisen abstimmen. Das ist umso wichtiger, als sich der Weg, den SAP mit HCM einschlägt, unmittelbar auf die IT-Strategien und Finanzen vieler Unternehmen auswirken wird – vor allem aber auch auf die Menschen. Und die stehen beim Personalwesen immer an erster Stelle, weit vor den IT-gesteuerten Geschäftsprozessen. Darum lautet der Appell des Sprecherteams: „Nutzen Sie die Möglichkeiten, die sich über die Gremien der DSAG bieten. Gehen Sie rechtzeitig auf SAP zu, indem Sie zum Beisoiel den DSAG-Arbeitskreis Personalwesen (HCM) durch Ihr Engagement weiter stärken. Das hilft uns allen, verlässlich zu erfahren, ob der Vorhang für SAP HCM in 2026 tatsächlich fallen wird.“

Thomas Kircher, DSAG-Pressestelle

Zusatzinfos

Arbeitskreis Personalwesen (HCM)

Im Arbeitskreis Personalwesen (HCM) sind aktuell rund 3.000 Mitgliedspersonen registriert. Im Vordergrund der zweimal jährlich stattfindenden Treffen des Arbeitskreises und der themenspezifischen Arbeitsgruppen steht der Erfahrungsaustausch zu den aktuellen Themen rund um SAP HCM sowohl zwischen den Mitgliedern als auch im direkten Kontakt mit den SAP-Vertretern.

Arbeitsgruppe SuccessFactors

Die Arbeitsgruppe SuccessFactors mit ihren mehr als 370 Mitgliedern richtet sich an Experten und Fachreferenten, die relevante Themen rund um die SuccessFactors BizX Suite aus strategischer und konzeptioneller Sicht analysieren, intensiv diskutieren und das Produkt weiterentwickeln wollen. (rhh)